12.11.2025
N°2 2025

Lernprozesse in Ernährungsbiographien Erwachsener

Welche Lernprozesse finden aus welchen Anlässen in Lebensgeschichten Erwachsener im Zusammenhang mit den Themen Ernährung und Gesundheit statt und welche Konsequenzen ergeben sich daraus im Verlauf der Biographie? In diesem Beitrag werden erste Befunde einer Interviewfallstudie vorgestellt, die darauf abzielt, vollzogene Lernprozesse zu rekonstruieren und lerntheoretisch aufzuschlüsseln. Dabei werden die Dimensionen des expansiven und defensiven Lernens fokussiert. Es zeigte sich, dass Lernen im Kontext von Lebensführung und Ernährung eine Strategie sein kann, um problematisch empfundene Situationen zu lösen, die durch eine Erweiterung des Wissens, durch eine Veränderung des physischen Wohlbefindens oder durch einen Wechsel des sozialen Umfelds im Verlauf des Lebens entstanden sind.

1 Lernen im Kontext der Ernährung als Untersuchungsgegenstand

Ein Lebensbereich, der alle Menschen betrifft, da er tagtäglich Zuwendung bedarf, ist der der Ernährung. Im Erwachsenenalter kann dieser in der Regel selbstbestimmt organisiert und vollzogen werden. Dabei können Veränderungen des Lebensstils und der Ernährungsweise im Verlauf des Lebens bewusst angestrebt werden oder sich durch verändernde äussere Umstände zufällig ergeben. Für die Untersuchung der Lebensführung und speziell für Lernhandlungen im Bereich der Ernährung ist die Analyseperspektive der Subjektwissenschaft nach Holzkamp geeignet. Er entwickelte eine Lerntheorie, die menschliches Lernen allumfassend beschreibt, wobei er den Fokus auf das bewusste Lernen richtete. Die Begriffe des expansiven und defensiven Lernens verwendet er, um Lernhandlungen nach ihrem Zweck zu unterscheiden. Das expansive Lernen ist darauf gerichtet, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Das defensive Lernen wird vollzogen, wenn es gilt, eine Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten zu verhindern. 

Der vorliegende Beitrag geht den Fragen nach, welche Lernprozesse in Ernährungsbiographien rekonstruiert werden können, inwiefern defensives oder expansives Lernen im Sinne Holzkamps (1995) nachgezeichnet werden kann und welche Anlässe diese Prozesse initiieren. Um den Antworten auf diese Fragen näherzukommen, wird sich auf narrative Interviews (vgl. Schütze, 1983, S. 285) bezogen, die im Rahmen eines Promotionsprojekts erhoben wurden.

Im Folgenden wird zunächst der Fachdiskurs zum Lernen Erwachsener im Zusammenhang mit Gesundheit und Ernährung beschrieben. Danach wird die subjektwissenschaftliche Lerntheorie von Holzkamp und die Begriffe, die er dafür verwendet, erläutert. Die Fallstudie und das analysierte Interview werden anschliessend vorgestellt. Dann werden die rekonstruierten Lernprozesse aus der Perspektive der Subjektwissenschaft nachgezeichnet. Es folgt eine Zusammenfassung und ein Fazit.

2 Kenntnisstand zum ernährungsbezogenen Lernen im Lebensverlauf

Die Erziehungswissenschaft betrachtet die institutionell verankerte Gesundheitsbildung zumeist im Kontext von Schule und Kita. Beforscht werden auch die Erziehung und Sozialisation als Einflüsse auf die Ernährung in der Kindheit und Jugend. Ernährung als Unterrichtsgegenstand wird ebenfalls im pädagogischen Fachdiskurs thematisiert. Andere Disziplinen, z.B. die Ernährungswissenschaft und -medizin, die Psychologie und die Soziologie, betrachten die Ernährung und die Lebensführung vorrangig aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive und wenden quantitative Verfahren für ihre Forschungsarbeiten an. In den letzten Jahren öffnete sich die Ernährungswissenschaft für qualitative Zugänge. So näherte sich erstmalig Rückert-John (2017) aus einer soziologischen Blickrichtung dem Phänomen der Ernährung qualitativ an und plädierte für eine stärker interdisziplinär ausgerichtete Forschung.

In der Erziehungswissenschaft gibt es zwar eine lange Tradition der qualitativen Zugänge, aber bisher existieren nur wenige biographische Studien, die gesundheitsbezogenes Verhalten aus einer erwachsenenpädagogischen Perspektive in den Blick nehmen. Einige Untersuchungen zum Umgang mit Erkrankungen wurden bereits durchgeführt (z.B. Berner, 2025; Nittel, 2011; Seltrecht 2010). Biographietheoretische Arbeiten, die Lernprozesse gesunder Erwachsener jenseits institutioneller Kontexte aus subjektwissenschaftlicher Sicht untersuchen, stehen noch aus. Zum aktuellen Zeitpunkt liegt nur eine Arbeit vor, die das Ernährungslernen Erwachsener lern- und bildungstheoretisch in den Blick nimmt. Anika Klein identifizierte anhand biographischer Interviews Lernmomente, die die Auseinandersetzung mit oder die Veränderung der Ernährungsweise initiierten. So konnte sie zeigen, dass im Verlauf der Biographie Veränderungen in der Lebenswelt eines Menschen im Zusammenhang mit «Verantwortung, Gemeinschaft und physische[m] Befinden» (Klein, 2018, S. 140) Lernmomente auslösen können. Der Lernmoment der Verantwortung entsteht z.B. im Kontext von Familiengründungsphasen (vgl. ebd.). Der Lernmoment der Gemeinschaft wird relevant, wenn z.B. für die Dauer des Studiums eine Wohngemeinschaft gegründet wird und sich das soziale Umfeld, in dem die Mahlzeiten eingenommen werden, verändert (vgl. ebd., S. 137). Das physische Befinden kann ebenfalls zum Lernmoment werden, z.B. in Folge einer Lebensmittelunverträglichkeit (vgl. ebd., S. 142). Die Befunde von Klein zeigen demnach, dass bestimmte Ereignisse und sich verändernde Rahmenbedingungen im Verlauf des Lebens Anlässe zum Lernen entstehen lassen können.

Diese Erkenntnisse zu den gesundheitsbezogenen Lerninteressen können für die Entwicklung von Lern- und Beratungsangeboten genutzt werden. Weitere Erkenntnisse zum gesundheitsbezogenen Lernen Erwachsener wären für die Bildungspraxis interessant, da sie die Gründe und die Verläufe der Lernhandlungen Erwachsener weiter erhellen würden. Für Lernangebotsentwickler könnten sie als Inspiration für neue interessante Formate genutzt werden und für Lehrende und Beratende könnten sie fundiertes Wissen für die didaktische Gestaltung der Angebote bieten. Denn wie Erwachsene mit erworbenem gesundheitsbezogenem Wissen aus unterschiedlichen Lern- und Beratungsangeboten schliesslich umgehen, ob und wie sie es in ihren Lebensalltag integrieren, ist bisher nicht bekannt.

Da sich mit dem subjektwissenschaftlichen Ansatz nach Holzkamp Lernprozesse sehr detailliert beschreiben lassen und die Erkenntnisse zum gesundheitsbezogenen Lernen erweitert werden können, wird dieser Ansatz, mit dem das Interviewmaterial analysiert wurde, im nächsten Abschnitt erläutert.

3 Die subjektwissenschaftliche Lerntheorie

In dem Grundlagenwerk «Lernen» beschreibt Holzkamp (1995) seine Lerntheorie, die er, mittels kritischer Betrachtung anderer psychologischer Lerntheorien, vom Standpunkt des Subjekts her kategorialanalytisch entwickelt. Er definiert die Kategorien als Grundbegriffe, die in den Theorien enthalten sind und stellt deren Empiriebezug und somit deren mögliche Überprüfbarkeit heraus. Aus diesem Grund wurden die Begriffe der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie aus dem Werk extrahiert und als deduktiv abgeleitetes Kategoriensystem für die Datenanalyse des vorliegenden Interviewmaterials verwendet.

Die subjektwissenschaftliche Lerntheorie Holzkamps wird im Folgenden skizzenhaft beschrieben. Im Grundlagenwerk sind weitere Detaillierungen ausgeführt. Sie könnten als Subkategorien dienen. Diese Arbeit nutzt aber vorerst eine kategoriale Grundskizze der Lerntheorie, um das Datenmaterial zunächst explorativ aufzuschliessen und erste Befunde zu erarbeiten. Gleichzeitig wird überprüft, ob dieses Vorgehen geeignet ist, um dem Erkenntnisinteresse näherzukommen, und weiterführendes Wissen zum gesundheitsbezogenen Lernen Erwachsener generiert werden kann.

Bevor Holzkamp mit der Darstellung seiner Lerntheorie beginnt, erläutert er, dass er die stufenförmige Entwicklung kindlichen Lernens in seiner Lerntheorie nicht berücksichtigt. Er benennt diese Prozesse als Kind-Erwachsenen-Koordination (ebd., S. 179f.). Auch das beiläufige Lernen, das Mitlernen, wird als Teil jeder beliebigen Handlungsproblematik beschrieben und liegt deswegen nicht im Fokus seiner Lerntheorie, die sich speziell den Lernproblematiken widmen soll (ebd., S. 182f.). Die Lernergebnisse der Kind-Erwachsenen-Koordination und des Mitlernens werden von ihm als Vorgelerntes benannt (ebd., S. 209). Das Lernen im engeren Sinne, das Holzkamp fokussiert, bedarf zunächst einer Lernintention und zielt auf die Beständigkeit der Ergebnisse und das Erreichen eines neuen Niveaus im Vergleich zur Ausgangssituation ab (ebd., S. 183).

Als Lernproblematik beschreibt Holzkamp einen Kontext, in dem das Subjekt feststellt, dass es die vorgefundene Situation, Aufgabe oder Handlungsoption mit den bis dahin angeeigneten Fähigkeiten und seinem Wissensstand nicht bewältigen kann (ebd.). Das Feststellen der Problematik wird als Diskrepanzerfahrung bezeichnet (ebd., S. 212). Nach dieser wird notwendig, dass das Subjekt sich zunächst von der Problematik distanziert und die Situation aus einer Metaperspektive betrachtet. Möglicherweise stellt das Subjekt dann für sich fest, dass die diskrepante Situation überwindbar wäre, wenn es über mehr Wissen oder bessere Fähigkeiten verfügen würde, die es sich durch Lernen aneignen könnte. Ist dem so, erlangt das Subjekt eine Lernhaltung und antizipiert das mögliche Resultat des Lernprozesses (ebd., S. 184). Im gleichen Zuge wird der thematische Lernaspekt erkennbar. Dies meint die inhaltliche Begründung und die damit einhergehende Bedeutung der angestrebten Lernergebnisse (ebd., S. 189). Auf Basis dieser inhaltsbezogenen Bedeutsamkeit ergibt sich gleichsam der emotional-motivationale Lernaspekt, d.h. die subjektive Bedeutung der antizipierten Lernergebnisse (ebd.). Die Lerngründe eines Subjekts haben demnach eine inhaltlich-thematische Ebene und eine emotional-motivationale Ebene. Nachrangig wird der operative Lernaspekt – die Art und Weise, wie gelernt werden soll – aufgrund der Verfasstheit des Lerngegenstandes ableitbar (ebd., S. 248). Die jeweiligen Lernmethoden, die angewendet werden können, nennt Holzkamp Lernprinzipien. Die Planung und die Organisation des gesamten Lernhandlungsprozesses wird als Lernstrategie beschrieben (ebd., S. 187). Die Überwindung der Lernproblematik erfolgt durch Lernschleifen (ebd., S. 183). Nach oder, je nach Fall, während der Lernschleife kann der Versuch unternommen werden, die Lernproblematik zu überwinden. Ist ein entsprechendes neues Niveau erreicht, wird die Bezugshandlung gelingen – wenn nicht, können sich weitere Lernschleifen anschliessen (ebd.).

Die äusserlichen Bedingungen der Ausgangssituation, in der die Lernproblematik erscheint, werden als Prämissen beschrieben (ebd., S. 24). Die internen Bedingungen des Subjekts bezeichnet Holzkamp als Situiertheit. Da diese Kategorie für das Erkenntnisinteresse relevant ist, wird hier die subkategoriale Ebene mit aufgeführt. Holzkamp unterscheidet die körperliche (ebd., S. 253), die mental-sprachliche (ebd., S. 258) und die personale Situiertheit (ebd., S. 263). Die körperliche Situiertheit ist nach Holzkamp «in gewissem Sinne zu den Prämissen» (ebd., S. 257) zu zählen. Sie beschreibt die raumzeitliche Standortgebundenheit des Körpers in der Lebenswelt. Holzkamp betont dabei die Begrenztheit und Widerständigkeit des Körpers, die dem Lernen im Wege stehen können (ebd., S. 253f.) Unterschieden werden zudem die Hilfsbewegungen, die der Körper vollzieht, um die Lernhandlung durchführen zu können, und das Bewegungslernen, das Ziel oder Teil einer Lernhandlung sein kann (S. 280f.). Die mental-sprachliche Situiertheit meint die geistige Hinwendung und Beachtung potentieller Lerngegenstände sowie die innere Sprache (ebd., S. 258f.). Schliesslich beschreibt die personale Situiertheit die Gebundenheit des Subjekts an den jeweiligen Zeitpunkt seiner Biographie, an die eigene soziale und gesellschaftliche Lebenswelt und an die eigenen individuellen Einstellungen und Einschätzungen hinsichtlich der Lernmöglichkeiten oder -begrenzungen auf Basis der eigenen Verfasstheit (ebd., S. 263ff.).

Die Besonderheit der Theorie Holzkamps liegt genau hier: in den subjektiven Lernbegründungen und Lerninteressen (ebd., S. 187). Das Warum des Lernhandelns weist eine individuelle Bedeutsamkeit für das Subjekt auf. Das Wozu des intentionalen Lernhandelns zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität, auf die Erweiterung der Weltverfügung oder versucht deren Einschränkungen abzuwenden. Im erstgenannten Fall findet expansives Lernen, im zweitgenannten defensives Lernen statt (ebd., S. 190f.).

Im nächsten Abschnitt werden die Fallstudie und das Datenmaterial vorgestellt. Mittels der Kategorien der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie werden das vorliegende Datenmaterial analysiert und die Lernprozesse rekonstruiert.

4 Lernprozesse in einer Ernährungsbiographie

Im Jahr 2021 wurde ein thematisch eng geführtes, narratives biographisches Interview mit Laura durchgeführt. Zum Zeitpunkt des Interviews war sie ca. 35 Jahre alt und lebte in einer ostdeutschen Stadt. Sie wurde mit folgendem Erzählstimulus gebeten, ihre Lebensgeschichte zu erzählen: «Erzähl mir bitte deine Lebensgeschichte. Geh dabei gern auch auf die Bereiche Körper, Geist und Seele ein. Mich interessiert also deine Geschichte mit deinem Körper, deine Ernährung, über die Zeit hinweg. Auch Sport und Bewegung, wenn das ein Thema ist. Lass dir ruhig Zeit, erinnere dich zurück, beginne gern deine Geschichte, wo du möchtest.» Es folgte eine ca. einstündige selbstläufige Erzählpassage. Der anschliessende Nachfrageteil dauerte ungefähr weitere 90 Minuten.

Im Folgenden sollen zunächst die Etappen ihres Lebenslaufs skizziert werden. Dann wird auszugsweise die thematische Ebene der Ernährung und danach die Ebene des Körpers betrachtet und jeweils auf die damit verbundenen Lernprozesse eingegangen.

Laura beginnt ihre Erzählung mit ihrer Kindheit in der Stadt und auf dem Land bei den Grosseltern. Sie schliesst die Schule nach der zehnten Klasse ab und beginnt ein Berufsgrundbildungsjahr. Danach bekommt sie eine schulische Ausbildungsstelle im gestaltungstechnischen Bereich und schliesst eine Weiterbildung zum Thema Mediendesign an. Nach einer kurzen Phase der Arbeitslosigkeit beschliesst sie, das Abendgymnasium zu besuchen, um ihr Abitur nachzuholen und zieht aus der elterlichen Wohnung aus. Seit ihrem Auszug finanziert sie ihren Lebensunterhalt mit Nebentätigkeiten im Einzelhandel. Danach nimmt sie ein erziehungswissenschaftliches Studium auf. In dieser Zeit geht sie zudem zwei Partnerschaften ein, die aber nicht halten. Nach dem Studium folgen zwei Anstellungsverhältnisse im heil- und sonderpädagogischen Bereich. Für ihre nahe Zukunft plant sie, eine förderpädagogische Weiterbildung für die Primarstufe zu beginnen.

Die ernährungsbiographische Ebene eröffnet Laura mit dem Hinweis, dass sie nur kurz gestillt wurde, ihr Bruder allerdings drei Jahre lang. Sie rekurriert dabei auf die Erzählungen von ihrer Grossmutter. Dieses über die Generationen hinweg tradierte Wissen ist dem Vorgelernten zuzuordnen. Interpretiert werden kann, dass der Vergleich mit anderen Menschen im Verlauf der Biographie eine Bedeutung entfalten wird. Die erste eigene Erinnerung handelt von einem Lebkuchenherz. Ihr Vater lebte seit ihrer frühen Kindheit in einer eigenen Wohnung. Immer wenn sie bei ihm zu Besuch war, so berichtet sie, hat sie «heimlich» an dem Herz «geknabbert». Hierbei wird deutlich, dass Süssigkeiten eine besondere Bedeutung für Laura haben werden. Weitere Details oder Einordnungen dazu werden an dieser Stelle im Interview nicht beschrieben.

Es folgt der Lebensabschnitt der glücklichen Kindheit auf dem Land. Ihre Grosseltern versorgten sich zum Teil selbst, durch die Bewirtschaftung eines Gartens und die Haltung von Nutztieren. Sie lebten ihr die Werte der Gastfreundlichkeit und der Fürsorglichkeit vor, indem sie an den zahlreichen ausgerichteten Festen mit vielen Gästen teilnahm, die liebevoll und umfangreich bekocht wurden. Ihre Grosseltern bauten an, ernteten, angelten, schlachteten und verarbeiteten die Lebensmittel zu einem Grossteil selbst. In diesem Kontext wird für Laura ein Ereignis bedeutsam, das ihr Verhältnis zu Fleisch nachhaltig prägte. Sie berichtet, dass sie sich um einen Hasen auf dem Hof der Grosseltern gekümmert hatte. Der wurde ihr als Sonntagsbraten serviert. Danach beschloss sie, kein Tier mehr zu verzehren, das sie «vorher angesehen hat». Sie verzichtet in der Folge auf das Fleisch vom grosselterlichen Hof, isst aber weiterhin zugekauftes.

Das Vor- und Mitgelernte während der Kind-Erwachsenen-Koordinationen in der Kindheit umfasst umfangreiches Wissen über Normen und Werte des sozialen Miteinanders, Kenntnisse über die Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln, über Traditionen, wie z.B. Feste ausgerichtet und welche Rezepte dafür benötigt werden, oder auch die Kenntnis darüber, welcher Umfang eines Buffets oder einer Portion als normal angesehen wird. Generell werden die Einstellungen zu und die Bedeutungen von Lebensmitteln und Ernährungsweisen der Grosseltern vorgelernt. Diese und weitere Aspekte, die hier nicht vollumfänglich aufgeführt werden können, bilden über die Jahre hinweg die personale und körperliche Situiertheit von Laura aus. Es wird noch nicht von intentionalen Lernhandlungen berichtet. Auch noch nicht in der Jugend- und Schulzeit. Durch den Kontakt zu anderen Mitschülern und die Erfahrung des Ernährungsverhaltens anderer Familien, z.B. bei Besuchen der Freundinnen, nehmen die Vergleiche zu. Sie erfährt z.B., welche Portionsgrössen in anderen Familien als normal bewertet werden und welche Körperfüllen aus den jeweiligen Essverhalten resultieren. Sie beschreibt das Erfahrene mit den Worten: «Essen war da auch ein bisschen Mangelware, für meine Begriffe, kein Wunder, dass sie so schlank war.»

Die Versorgung und Lebensmittelauswahl konnte Laura in der Schulzeit weitestgehend selbst bestimmen, da sie von ihrer Mutter Geld bekam, das sie in der Schulkantine auch für Süssigkeiten oder beim Bäcker nebenan ausgab oder gegen die mitgebrachten Schnitten ihrer Mitschüler eintauschte. Es zeigt sich, dass das Muster der grosselterlichen Selbstversorgung, wenn auch variiert, von Laura übernommen und realisiert wurde. Diese Ernährungsweise wird auch in der beruflichen Qualifikationsphase fortgeführt. Während ihrer Aus- und Weiterbildungen versorgte sie sich durch den Gang zum Bäcker oder zur Kantine.

Ein weiteres übernommenes Muster wird deutlich, als sie eine Partnerschaft einging. Sie reflektiert retrospektiv selbst, dass sie ihren Partner nach dem weiblichen Rollenbild der Grossmutter versorgen und bekochen wollte. Die entwickelte personale Situiertheit über den Verlauf der Kindheit hinweg trat zu dieser Zeit in Erscheinung. Ein erstes Indiz auf eine expansive Lernhandlung wird deutlich, als sie erzählt, dass sie ihre Grossmutter nach Rezepten fragte. Sie wollte die Gerichte der Oma nachkochen und den gleichen Geschmack und die gleiche Konsistenz erzielen. Die Diskrepanzerfahrung entstand aus dem Vergleich ihrer und der grossmütterlichen Kochergebnisse. Der thematische Lernaspekt bezieht sich dabei auf das fehlende Wissen zu den Rezepturen ihrer Oma. Der operante Lernaspekt wird mit Nachfragen bei ihr realisiert. Der emotional-motivationale Lernaspekt wurde nicht deutlich ausgeführt. Es kann aber interpretiert werden, dass die Paarbeziehung der Grosseltern als anzustrebendes Ideal bewertet und das damit einhergehende glückliche Lebensgefühl ihrer Kindheit auf dem Land erinnert und in ihrer Partnerschaft ebenfalls erzeugt werden soll. Die Lernintention richtet sich auf die Erhöhung der Lebensqualität im Bereich des geschmacklichen Genusses und auf die angestrebte Zunahme der Weltverfügung, indem sie ihre Fähigkeiten des Kochens erweitert. Die Bezugshandlung und gleichzeitig die Lernschleife, die angestossen wird, vollzieht sich anschliessend im Versuch des mehrmaligen Nachkochens. Dies kann zum einen dem Bewegungslernen zugeschrieben werden, bei dem die richtigen Dinge mit den richtigen Gegenständen zum richtigen Zeitpunkt ausgeführt werden müssen. Hierbei wird ersichtlich, dass zum anderen auch die sinnliche Erfahrung dabei eine Rolle spielt. Die Hinweise ihre Grossmutter beschreibt sie mit den Worten «das muss so aussehen und muss sich so und so anfühlen». Es wird damit sichtbar, dass zum Bewegungslernen auch ein sinnliches Lernen parallel stattfinden muss, um das gewünschte Ergebnis erzielen zu können.  

Ein weiterer entscheidender Wendepunkt ereignete sich ebenfalls noch im Lebensabschnitt der beruflichen Ausbildung. Auf ihrem Heimweg von der Ausbildungsstätte nimmt sie aus einem Kiosk eine Zeitschrift mit, die eine DVD mit einer Dokumentation zur Herstellung von Lebensmitteln enthält. Die Einblicke in die industrielle Fleisch- und Eierproduktion lösen bei ihr eine starke Abneigung und damit eine Diskrepanzerfahrung aus. Dieses Erlebnis führt zunächst zu einem Verzicht auf tierische Lebensmittel. Die Handlungsproblematik wurde demnach gelöst, ohne dass Lernhandlungen nötig wurden. In der weiteren Folge ergeben sich allerdings weitere Handlungsproblematiken und expansive Lernhandlungen. Denn die nun eingeschränkte Lebensmittelauswahl erforderte weiteres Wissen zu veganen Rezepturen. Die Lernschleifen, die sich daraus ergaben, sind Recherchen im Internet und das Einholen von Inspirationen in den sozialen Medien. Zudem entwickelt sich aus der Dokumentation ein Interesse am Thema Tierschutz und Nachhaltigkeit, weswegen sie sich auf den Homepages von PETA und anderen Organisationen belas. Der gesundheitliche Aspekt der Ernährungsumstellung schien unbedeutend. Denkbar wäre hierbei ein Interesse an der Erhöhung der Lebensqualität aus gesundheitlicher Perspektive gewesen. Vermutlich spielte dieser Aspekt keine Rolle, da Laura gesund war und ihr körperliches Empfinden keine Diskrepanzerfahrung auslöste.

Die körperbiographische Ebene wird während des Interviews parallel thematisiert. Laura beschreibt ihre Gewichtsschwankungen während ihrer Biographie. Die Reflexion und der Vergleich ihrer Körpermasse begannen im Kontakt mit ihren Mitschülern in der Schulzeit. Zwar berichtet sie von Ausgrenzungserfahrungen, diese werden aber nicht vordergründig als Diskrepanzerfahrungen thematisiert. Erst als ihr körperliches Unwohlsein, das zu einem Arzttermin führt, einen Vitamin-B12-Mangel aufgrund ihrer veganen Lebensweise offenbart, entsteht eine Diskrepanzerfahrung hinsichtlich ihrer Lebensmittelauswahl. Sie entscheidet sich für die Möglichkeit des Nichtlernens und vollzieht die Auflösung der Handlungsproblematik durch die Erweiterung ihrer Lebensmittelauswahl und ändert ihre Ernährung, indem sie die vegetarische Kostform wählt. Die Aneignung von weiterführendem Wissen zur bedarfsgerechten veganen Lebensmittelauswahl schliesst sie für sich aus. Dies bewertet sie für sich als «zu kompliziert». Als weiteren Grund führt sie an, «Essen und Kochen soll ja auch weiterhin Spass machen».

An diesen Beispielen wird deutlich, dass die eigenen körperlich-sinnlichen Erfahrungen Anlässe für Lernhandlungen bieten können und dass je nach subjektiver Bedeutsamkeit bestimmter Aspekte der individuellen Lebenswelt und des körperlichen Seins adäquate Handlungsstrategien gewählt werden.

5 Zusammenfassende inhaltliche und methodische Diskussion der Befunde

Die explorative Fallstudie zielte darauf ab, Lernprozesse in einer Ernährungsbiographie zu rekonstruieren, lerntheoretisch aufzuschlüsseln und zu prüfen, inwieweit expansives und defensives Lernhandeln nachgezeichnet werden kann.

Exemplarisch wurden biographische Ereignisse und Entscheidungen der Interviewten beschrieben. Defensive Lernhandlungen wurden im Transkript nicht entdeckt, obwohl sie im Laufe des Lebens von Laura sicherlich stattgefunden haben. Ein plausibler Grund dafür scheint zu sein, dass Lernprozesse dieser Art im Zusammenhang mit dem Ernährungshandeln nicht stattgefunden haben oder ihnen nur wenig subjektive Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Defensive Lernhandlungen könnten in einer Biographie beispielsweise dann relevant werden, wenn aufgrund einer Erkrankung gravierende Folgen auftreten könnten, sofern die Ernährungsweise nicht entsprechend angepasst würde. Doch diese Fälle sind eher für die therapeutische und nicht für die pädagogische Praxis relevant.

Expansive Lernhandlungen wurden in der Ernährungsbiographie von Laura sichtbar. Sie wurden zunehmend bedeutsam, je älter sie wurde und je selbstbestimmter sie ihren Alltag gestalten konnte. In der Phase der Kindheit waren demnach die Mit- und Vorlernprozesse durch die Kind-Erwachsenen-Koordinationen dominant.

Anstösse für expansive Lernhandlungen sind die Diskrepanzerfahrungen, die sich ernährungsbiographisch an folgenden Lebensereignissen finden liessen: (a.) Der Beginn einer Partnerschaft erzeugte die Lernintention, die Kochkünste der Grossmutter zu erlernen. (b.) Zufällig erhaltene Informationen zum Themenbereich Lebensmittelerzeugung und Tierleid lösten die Lernintention aus, vegan kochen zu können und zahlreiche Rezepte zu kennen.

Nach Klein (2018) können Lernhandlungen durch Lernmomente der Verantwortung, der Gemeinschaft und des physischen Befindens ausgelöst werden. Diese Lernmomente zeigten sich auch in dem vorliegenden Interview. Ereignis a. lässt sich dem Lernmoment der Gemeinschaft zuordnen, Ereignis b. dem Lernmoment der Verantwortung. Ein Lernmoment des physischen Befindens (c.) trat auf, als Laura aufgrund eines Vitaminmangels eine Diskrepanzerfahrung hinsichtlich ihrer veganen Kostform erlebte. Doch eine Lernintention wurde dadurch nicht entwickelt. Sie entschied sich folglich für das Nichtlernen und löste die Handlungsproblematik mit der Umstellung auf eine vegetarische Ernährungsweise.

Die Lernmomente nach Klein beschreiben Situationen oder Ereignisse in der Biographie, die die Aufmerksamkeit auf die Ernährung und Lebensführung verlangt. Sie konkretisiert folglich die lebensweltlichen Kontexte, die Anlässe zur Reflexion der bisherigen Alltagspraktiken im Zusammenhang der Lebensführung und Ernährung einfordern können. Ein Ergebnis der Reflexion kann eine Diskrepanzerfahrung sein, aus der sich eine Lernintention entwickeln kann. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Lernhandlung aus. Die Lernmomente zeigen also auf, wann expansive Lernprozesse im Verlauf einer Biographie ausgelöst werden können. Mit der Theorie Holzkamps kann rekonstruiert werden, warum und wozu ein Subjekt lernt. Das Warum wird anhand der Diskrepanzerfahrungen und den daraus resultierenden Lernbegründungen am Datenmaterial sichtbar und das Wozu kann mittels der beschriebenen Lernintentionen abgeleitet werden. Insofern konnte am Material gezeigt werden, dass die allgemeine Definition des subjektwissenschaftlichen Lernens nach Holzkamp (vgl. Holzkamp, 1995, S. 183 und 212) empirisch nachweisbar ist und dass Lernbegründungen, -intentionen und -handlungen mittels der Holzkamp’schen Lerntheorie sehr differenziert betrachtet werden können. Mit den Lernmomenten von Klein können die Lernhandlungen in der Biographie kontextualisiert werden.

Allerdings muss methodenkritisch festgestellt werden, dass eine detaillierte und vollständige Rekonstruktion der Lernhandlungen im Sinne der Holzkamp’schen Kategorien vermutlich nur möglich werden, wenn im Anschluss an die selbstläufige Erzählphase eines narrativen Interviews auch gezielt Nachfragen zu den Lernhandlungen gestellt werden. Im hier analysierten Datenmaterial lassen sich nur bruchstückhaft Lernhandlungen rekonstruieren, je nachdem, welchen Detaillierungsgrad die Interviewte für ihre Ausführungen wählte. Z.B. konnten die emotional-motivationalen Lernaspekte im vorliegenden Transkript nur interpretativ bestimmt werden. Auch die Planungsstrategien wurden nicht näher beleuchtet. Somit könnte anhand der Begriffssystematik nach Holzkamp ein Leitfaden für den Nachfrageteil narrativer Interviews entwickelt werden, um weitestgehend vollständig die Lernhandlungen in Biographien rekonstruieren zu können.

Zudem zeigte sich im Material, dass das sinnliche Lernen, z.B. beim Kochenlernen, zusätzlich zum Bewegungslernen eine Rolle spielen kann. Holzkamp beschreibt bestimmte Bewegungsabläufe als Hilfsbewegungen (ebd., S. 280). Dem Hören, dem Sehen, Fühlen und Schmecken könnten vermutlich ebenfalls Hilfsfunktionen in Lernhandlungsprozessen zugeschrieben werden. Die theoretische Ausarbeitung dieser Behelfshandlungen könnte in Anschlussprojekten vertieft betrachtet werden.

6 Erkenntnisse für die Bildungspraxis

Die Analysen von Ernährungsbiographien lassen Rückschlüsse zu, in welchen Lebensphasen, aus welchen Gründen und wie Menschen im Kontext der Lebensführung und der Ernährung lernen wollen. Die Übergänge in der Biographie bieten demnach Anlässe, sich neues Wissen und neue Fähigkeiten anzueignen. Diese Themen könnten für die Lern- und Beratungsangebotsentwicklung zielgruppenorientiert aufgegriffen werden und insbesondere die Lernmomente der Gemeinschaft, des physischen Befindens und der Verantwortung (nach Klein) aufgreifen.

Der Wechsel in eine neue berufliche Phase, vor allem die Zeit der Ausbildung und des Studiums, gehen oftmals mit einem Umzug und der Veränderung des sozialen Umfelds einher. Gewohnte Strukturen der Lebensführung und der Ernährungsweise brechen auf und lassen z.B. den Wunsch entstehen, die zu einem stärkeren Masse selbstständig zu organisierende Lebensphase meistern zu können. Für junge Erwachsene könnte das das Interesse sein, kochen zu lernen, die Haushaltsführung zu bewältigen oder generell die Alltagskompetenzen zu erweitern. Die Phase der Familiengründung verstärkt eventuell den Wunsch, die Lebens- und Ernährungsweise bedarfsgerecht und gesünder zu gestalten. Insbesondere wenn Nachwuchs geplant ist, werden die Themen der kindgerechten und bedarfsdeckenden Mahlzeitenzubereitung präsenter. Die Nachhaltigkeit und der ethische Aspekt der Ernährungsweise können ebenfalls im Interesse der Zielgruppe sein. So zeigte sich im Material, dass aus dem Grund, Tierleid zu verringern, auf eine vegane Ernährungsweise umgestellt wurde.

Im Datenmaterial zeigte sich ausserdem, dass die Aneignung des neuen Wissens zum einen über Nachfragen bei der Grosselterngeneration und zum anderen mittels Internetrecherchen umgesetzt wurde. Zu überlegen wäre demnach, wie Bildungseinrichtungen diesen Suchbewegungen begegnen könnten. Die Ankündigungstexte der Angebote könnten diese Lernintentionen aufnehmen und die Platzierung der Programme und Angebote im Internet könnte entsprechend der Suchstrategien der Zielgruppe gestaltet werden. Eine mögliche Herangehensweise wäre die Recherche der Suchworthäufigkeiten bei Google Trends. Es zeigt sich z.B., dass «Omas Rezepte» öfter als üblich vor der Weihnachtszeit gesucht werden, die Anfrage «gesunde Ernährung» hingegen verstärkt nach dem Jahreswechsel bei Google gestellt wird. Aber auch Suchtrends lassen sich auf der Webseite anzeigen und könnten Hinweise für relevante und aktuelle Lern- und Bildungsinteressen der Bevölkerung bieten. Die häufig gesuchten Begriffe könnten zur Verschlagwortung der Angebotsanzeigen, mit sogenannten Hashtags, in den sozialen Medien mehr Aufrufe generieren und so das Programm einer Einrichtung bei den Zielgruppen, die häufig soziale Medien für die Recherche nutzen, bekannter machen.

Für die Umsetzung möglicher gesundheitsbezogener Lern- und Beratungsangebote können anhand der erfolgten Analyse der Ernährungsbiographie ebenfalls Impulse abgeleitet werden. Die Prinzipien der Lebenswelt- und Teilnehmerorientierung sind in der pädagogisch-professionellen Erwachsenenbildung bereits weitläufig bekannt. Die Analyse zeigte die Sinnhaftigkeit dieser didaktischen Prinzipien. Die Anwendung zielt darauf ab, das Vor- und Mitgelernte (nach Holzkamp) aufzugreifen. Zum einen sind die Normen und Werte sowie die generationsübergreifenden Traditionen und Wissensbestände, über die potentielle Teilnehmende an gesundheitsbezogenen Angeboten verfügen, ein möglicher Ansatzpunkt, um ein Angebot teilnehmerorientiert zu beginnen. Andererseits können sie als Ressource genutzt werden, um gruppenförmig organisierte Austauschphasen in einem Angebot lebensweltorientiert und interessengeleitet zu realisieren. Das könnte geschehen, indem die Teilnehmenden in einem Kochkurs z.B. gefragt werden, welche Rezepte in ihrer Familie zu den Festtagen gekocht und welche Traditionen gepflegt wurden.

Zudem zeigte die Analyse, dass die Integration des neuen Wissens im Alltag anwendbar und praktikabel sein sollte. Demnach ist zu überlegen, inwieweit bei der Planung und Umsetzung von gesundheitsbezogenen Angeboten die Umsetzung schon erlernt werden kann. Im Falle eines Kochkurses liegt es auf der Hand, das Angebot in einer Lernküche durchzuführen. Das sinnliche und das Bewegungslernen (nach Holzkamp) wird somit ebenfalls bedacht. Z.B. ist beim Kochenlernen wichtig zu erfahren, wie sich ein herzustellender Teig anfühlen muss, zu sehen und zu hören, wann der richtige Gelierungsgrad beim Marmeladekochen erreicht ist oder wie überprüft wird, wann ein Gericht die richtige Garstufe aufweist. Sinnvoll wäre eventuell, auch den Anbau, die Beschaffung, die Weiterverarbeitung sowie die Lagerung von Lebensmitteln zu thematisieren, um den Prozess der neu zu erlernenden Teile der Ernährungs- oder Lebensweise ganzheitlich zu berücksichtigen. Je vollständiger die neu zu erlernenden Wissensbestände und Fähigkeiten schon im Lernangebot berücksichtigt werden, umso einfacher und unkomplizierter erscheint es, diese auch in den Alltag integrieren zu können. Denn «Essen und Kochen soll ja auch weiterhin Spass machen».

Literatur

Berner, N. (2025): Demenz und Bildung. Eine Biographieanalyse von Lern- und Bildungserfahrungen unter den Bedingungen einer Alzheimerdemenz. Leverkusen: Budrich.

Holzkamp, K. (1995): Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt a. M.: Campus.

Klein, A. (2018): Ernährungslerngeschichten: Eine lern- und bildungstheoretische Betrachtung von Ernährungsbiografien. In: Dr. Rainer Wild-Stiftung (Hrsg.): Essbiografie. Annäherungen an die individuellen Ernährungsgewohnheiten. Heidelberg: Dr. Rainer Wild-Stiftung, S. 129–145.

Nittel, D. (2011): Die Aneignung von Krankheit: Bearbeitung lebensgeschichtlicher Krisen im Modus des Lernens. In: Der pädagogische Blick, 19(2), S. 80–90.

Rückert-John, J. (2017): Den Ernährungsalltag verstehen: Ein Beitrag der Ernährungssoziologie für eine interdisziplinäre Ernährungsforschung. In: Ernährungs Umschau, 64(8), S. M436-M443.

Schütze, F. (1983): Biographieforschung und narratives Interview. In: Neue Praxis, 13(3), S. 283–193.

Seltrecht, A. (2010): Lernprozesse im Spannungsverhältnis von kalendarischem, biologischem, sozialem und subjektivem Alter. Die Rekonstruktion der Biographie eines Herzinfarktpatienten unter dem Fokus von Krankheit und Berufsaufgabe. In: Hof, C., Ludwig, J., & Schäffer, B. (Hrsg): Erwachsenenbildung im demographischen und sozialen Wandel. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 82–93.