22.05.2025
N°1 2025

Betriebliche Weiterbildung

Im betrieblichen Bereich zeigt sich die Tendenz, Weiterbildung zunehmend arbeitsplatznah und digital sowie in kurzen Einheiten zu organisieren, wobei die Vermutung naheliegt, dass spezifische, am unmittelbaren betrieblichen Bedarf orientierte Kompetenzen im Zentrum stehen. Dabei werden ökonomische Ziele und Perspektiven stärker gewichtet als pädagogische Perspektiven, individuelle, lebenslaufbezogene Lernbedarfe der Mitarbeitenden und auch öffentliche Interessen wie Arbeitsmarktstabilität oder sozialer Friede.

In den meisten Branchen sind die Betriebe mit einem wachsenden Fachkräfte- und Personalmangel konfrontiert, was dazu führt, dass die Arbeitnehmenden höhere Ansprüche an die Arbeitgeber und damit auch an ihre Weiterbildungsmöglichkeiten stellen können. Dies erfordert eine Weiterbildung, die sich gerade nicht eng an den betrieblichen Bedarfen orientiert, sondern auch Raum bietet für Persönlichkeitsentwicklung. In diesen Tendenzen kommen unterschiedliche Logiken, Perspektiven und Konzepte zum Tragen, was zu Widersprüchen und Spannungsverhältnissen führen kann.

Im einleitenden Beitrag zu dieser EP gibt Katrin Kraus einen Einblick in die Bedeutung der Betriebe für die erwerbsorientierte Bildung und die Heterogenität der betrieblichen Weiterbildung in der Schweiz. Sie unterscheidet eine organisationale und eine personale Perspektive und sieht beide Perspektiven als notwendig an, um das Lernen im betrieblichen Rahmen verstehen und gestalten zu können. Im Beitrag von Bernd Käpplinger stehen Konfigurationen zwischen privaten Entscheidungen und öffentlicher Mitverantwortung im Zentrum. Damit sich betriebliche Bildung wirksam entfalten kann, braucht es, so der Autor, meist externe Kooperationen.

Zwei Beiträge befassen sich mit dem Weiterbildungspersonal in Betrieben. Martin Schwarz zeigt anhand empirischer Resultate und eines Mehrebenenmodells auf, wie die Aufgaben des betrieblichen Weiterbildungspersonals aussehen und wie sie sich von den Aufgaben in originär pädagogischen Institutionen unterscheiden. Nadia Lamamra und Matilde Wenger untersuchen die Weiterbildung von Berufsbildnern und Berufsbildnerinnen in Lehrbetrieben und analysieren u.a. die Herausforderung, Anerkennung sowohl im Erstberuf wie im Zweitberuf als Ausbildende zu erlangen.

Nathalie Delobbe und Erwan Bellard untersuchen den Transfer des Gelernten in den Arbeitskontext und stellen ein Paradox fest: Während diverse Studien positive Effekte von Weiterbildungen auf die Leistung der Organisation feststellen, fällt die Korrelation zwischen dem Gelernten und der Verbesserung der individuellen Arbeitsleistung meist bescheiden aus. Die Autoren schlagen eine neue Herangehensweise zur Messung und Optimierung von Weiterbildungseffekten vor.

Bei Fanny Hösel, Julia Hufnagl und Erik Haberzeth steht das Erfahrungswissen im Mittelpunkt. Ihr Beitrag zeigt, wie eine partizipative Bedarfserschliessung im Kontext betrieblicher Weiterbildungsplanung möglich wird, die das – für gelingende Arbeitsprozesse unersetzliche – Erfahrungswissen der Beschäftigten aufnimmt.

Im Praxisteil dieser Ausgabe greifen fünf Beiträge Fragestellungen aus der betrieblichen Praxis auf. Nathalie Amstutz und Lea Küng analysieren anhand einer empirischen Studie, warum Personen, die in Arbeitsstellen ohne formale Qualifikationsanforderungen tätig sind, seltener an Weiterbildung teilnehmen als höher qualifizierte Personen. Christine Bärlocher und Sofie Gollob geben Einblick in die Förderung von geringqualifizierten Mitarbeitenden am Arbeitsplatz.

Ulla Klingovsky und Stephanie Gyger zeigen, wie es gelingen kann, im betrieblichen Kontext eine selbstorganisierte Lernkultur zu entwickeln. Christoph Meier und Julia Marcia Mann gehen der Frage nach, wie CustomGPTs das selbstorganisierte Lernen im Betrieb unterstützen können.

Im Beitrag von Sofie Gollob stehen Berufs- und Branchenverbände im Zentrum. Anhand von Gesprächen und schriftlichen Rückmeldungen aus fünf Verbänden trägt die Autorin unterschiedliche Einschätzungen zur Rolle der Verbände in der betrieblichen Weiterbildung zusammen.

Sofie Gollob, Irena Sgier, Erik Haberzeth und Alexandre Lecoultre

 

 

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