Die Rolle von Berufs- und Branchenverbänden bei der betrieblichen Weiterbildung
Die Studie «Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung in KMU» des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung hat klar gezeigt, dass Schweizer Unternehmen Berufs- und Branchenverbände als wichtige Kooperationspartner wahrnehmen für die betriebliche Weiterbildung. Dieser Beitrag zeigt anhand von fünf Beispielen auf, wie Berufs- und Branchenverbände ihre Rolle einschätzen und wie sie die Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung in ihrer Branche generell einschätzen.
Einleitung
Berufs- und Branchenverbände vertreten die Interessen einer Branche respektive eines Berufsstandes und beschäftigen sich mit Themen wie Sozialpartnerschaft, Arbeitsmarktfragen, rechtliche Bedingungen und Bildung. Sie sind sehr unterschiedlich organisiert, beispielsweise was die Mitgliederstruktur und die Ausrichtung anbelangt, können sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerorientiert sein und sind teils national, kantonal oder regional aufgestellt.
Einige Berufs- und Branchenverbände spielen eine zentrale Rolle in der Berufsbildung. Als Organisationen der Arbeitswelt (OdA) sind sie Bindeglieder zwischen Wirtschaft und Bildungssystem in der Schweiz und übernehmen als Trägerschaften die Verantwortung für Bildungsinhalte und Qualifikationsstandards in der beruflichen Grundbildung oder in der höheren Berufsbildung.1 Während die Aufgaben der Berufs- und Branchenverbände in der Berufsbildung recht klar geregelt sind, ist es bei der Weiterbildung – das heisst der nonformalen Bildung – anders. Dies obwohl viele Schweizer Unternehmen Berufs- und Branchenverbände als wichtige Partner für die betriebliche Weiterbildung wahrnehmen. So hat die Studie «Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung in KMU» des SVEB gezeigt, dass gerade kleine Betriebe mit maximal 50 Mitarbeitenden stark auf die Zusammenarbeit mit Branchenverbänden setzen für die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden – für drei Viertel der KMU sind diese die wichtigsten Kooperationspartner (Gollob et al., 2024). Um etwas genauer Einsicht zu erhalten, welche Rolle Berufs- und Branchenverbände in der betrieblichen Weiterbildung spielen, werden im Folgenden fünf Verbände vorgestellt. Es wird aufgezeigt, wie die Verbände die Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung einschätzen und wie sie die Unternehmen ihrer Branche dabei unterstützen, ihren Weiterbildungsbedarf zu decken.
Swissmechanic – Unterstützung direkt in den Betrieben
Swissmechanic ist ein Berufsverband für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM). Der Verband vertritt über 1300 Betriebe mit mehr als 65’000 Mitarbeitenden. Der Verband ist schweizweit durch seine 14 Sektionen verankert – zurzeit sind es 13 regionale Sektionen und die überregionale Fachorganisation Forum Blech. Zudem arbeitet Swissmechanic eng mit der angeschlossenen Organisation Groupement suisse de l’Industrie des Machines (GIM) zusammen. Die nationale Geschäftsstelle befindet sich in Weinfelden.
In der betrieblichen Weiterbildung nimmt Swissmechanic eine aktive Rolle ein. Der Verband mit der Geschäftsstelle und auch die regionalen Sektionen bietet ein breites Kurs- und Seminarprogramm an, das kontinuierlich an die Bedürfnisse der Mitgliedsunternehmen angepasst wird. Das Angebot umfasst Fachkurse, Webinare und Schulungen zu spezifischen Themen wie Normen, Produktionsprozesse oder Führung. Zudem engagiert sich Swissmechanic in der höheren Berufsbildung mit Bildungsgängen wie dem Produktionsfachmann/-frau mit eidgenössischem Fachausweis und dem/der diplomierten Maschinenbautechniker/in HF (Produktionstechnik). Die Teilnehmendenzahlen in den verschiedenen Angeboten variieren jedoch stark. Während Schulungen zu unmittelbar relevanten Themen, etwa zum neuen Datenschutzgesetz oder Kurse für Berufsbildner, gut besucht sind, verzeichnen Führungskurse oft eine tiefere Nachfrage.
Da sich die MEM-Branche rasant entwickelt und Digitalisierung und Automatisierung ständige Anpassungen erfordern, ist Weiterbildung – sowohl in formalen Bildungsangeboten wie HF, Berufs- und höhere Fachprüfungen als auch in nonformalen Kursen und Seminaren – der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit. Die Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs erfolgt durch einen kontinuierlichen Dialog mit den Mitgliedsbetrieben, Rückmeldungen von Kursteilnehmenden und Marktanalysen durch Umfragen bei den Mitgliedsfirmen. Eine Herausforderung ist, dass viele KMU der MEM-Branche Schwierigkeiten haben, ihren zukünftigen Kompetenzbedarf klar einzuschätzen.
Neben dem Bereitstellen von Kursangeboten unterstützt Swissmechanic Unternehmen auch direkt beim Thema Weiterbildung:
- Firmenspezifische Lösungen: Der Verband entwickelt gemeinsam mit Unternehmen individuelle Weiterbildungsprogramme, die auf deren spezifische Herausforderungen und Ziele zugeschnitten sind. Beispiele hierfür sind Schulungen im Normenbereich oder Weiterbildungen zu branchenspezifischen Prozessen.
- Praxiskurse vor Ort: Zusammen mit den regionalen Sektionen und Kurszentren bietet der Verband praxiserprobte Kurse für die Mitgliedsfirmen und ihren Mitarbeitenden an. Diese sind speziell darauf ausgelegt, praxisnah zu fördern und den Mitarbeitenden direkt anwendbares Wissen zu vermitteln.
- Austauschplattformen: Der Verband organisiert Veranstaltungen wie den Businessday, eine Plattform, die aktuelle Themen aus der MEM-Branche behandelt. Der Fokus 2024 lag auf den Chancen und Herausforderungen von künstlicher Intelligenz (KI) in der Produktion, während vor zwei Jahren die Energiekrise im Mittelpunkt stand. Diese Veranstaltungen fördern den Wissensaustausch und bieten Inspiration für zukunftsorientierte Strategien.
Dieser Text basiert auf einer schriftlichen Rückmeldung von Michael Meuwly, Leiter Bildung.
Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK – enge Zusammenarbeit mit den Sektionen
Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) ist eine Berufsorganisation für Pflegefachpersonen und vertritt die Interessen von rund 25’000 Mitgliedern. Der Verband setzt sich für die Anerkennung und Weiterentwicklung des Pflegeberufs ein.
Der SBK erachtet die Förderung der Weiterbildung als relevant, die Geschäftsstelle selbst bietet jedoch nur wenige, ausgewählte Inhalte an, darunter Webinare zu spezifischen Fachthemen und einen jährlichen Pflegekongress. Als Dachverband arbeitet der SBK mit den regionalen Sektionen und Fachverbänden zusammen, die eigenständig spezialisierte Weiterbildungsangebote entwickeln und durchführen, und publiziert deren Aktivitäten auf den Verbands-Website. Die Sektionen bieten beispielsweise Wiedereinstiegskurse für dipl. Pflegefachpersonen oder massgeschneiderte Inhouse-Schulungen an; ausgewählte Sektionen führen zudem sogenannte Ausgleichslehrgänge durch. Diese müssen von bestimmten Personen mit ausländischen Pflegeabschlüssen absolviert werden, damit diese vom Schweizerischen Roten Kreuz anerkannt werden und sie somit in der Schweiz in ihrem Beruf arbeiten können.
Zur Qualitätssicherung hat der SBK gemeinsam mit anderen Berufsverbänden die Plattform e-log.ch ins Leben gerufen. Diese ermöglicht es Gesundheitsfachpersonen, Weiterbildungen mit einem Qualitätslabel ihres Berufsverbandes zu absolvieren und Weiterbildungspunkte zu sammeln, die gegenüber Arbeitgebern nachgewiesen werden können.
Für die Weiterbildungsaktivität in der Branche stellt der Fachkräftemangel eine Herausforderung dar. Dieser führt dazu, dass sowohl die Bereitschaft der Mitarbeitenden als auch die Unterstützung der Arbeitgeber für Weiterbildungen abnehmen, da die zeitlichen Ressourcen knapp sind. Viele Betriebe setzen vermehrt auf interne Schulungen, um fehlende Qualifikationen zu kompensieren. Dies birgt gemäss SBK jedoch das Risiko, dass Mitarbeitende ohne formalen Abschluss langfristig schlechtergestellt werden. Um dem entgegenzuwirken, engagiert sich der SBK für die Anerkennung brancheninterner Qualifikationen und entwickelt Modelle, die einen beruflichen Aufstieg ermöglichen.
Dieser Text basiert auf einem Interview mit Christine Bally, Leiterin Abteilung Bildung.
santésuisse – ein breites Weiterbildungsangebot
santésuisse ist die führende Dienstleistungsorganisation in der Krankenversicherungsbranche.2 Sie versorgt Mitglieder sowie Kunden und Kundinnen mit verschiedenen Dienstleistungen, unter anderem in den Bereichen Bildung, Tarife, Rechnungskontrolle und Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die santésuisse-Gruppe beschäftigt rund 230 Mitarbeitende und hat ihren Sitz in Solothurn. Zu ihr gehören die Gesellschaften tarifsuisse ag, SASIS AG und SVK.
santésuisse bietet im Bereich der Aus- und Weiterbildung ein breites Angebot für die Branche an. Es reicht von beruflichen Weiterbildungen über Spezialisierungskurse bis hin zu Lehrgängen der höheren Berufsbildung. Dazu zählen medizinische Grundlagenkurse, Schulungen zu Tarifsystemen und Trainings zu neuen regulatorischen Vorgaben, wie beispielsweise die Vermittlerqualifikation gemäss dem Versicherungsaufsichtsgesetz. Diese Kurse, oft zwei- bis fünftägig, tragen dazu bei, die Branche auf gesetzliche Änderungen und/oder die Mitarbeitenden auf neue Aufgaben vorzubereiten.
Die Weiterbildungsaktivität in der Branche zeigt grosse Unterschiede zwischen den Unternehmen. Grosse Versicherer investieren erhebliche Mittel in die fachliche Entwicklung ihrer Mitarbeitenden und verfügen über interne Weiterbildungsabteilungen. Kleinere Versicherer verfügen zwar über weniger Ressourcen, profitieren jedoch oftmals von einem persönlichen Netzwerk der Mitarbeitenden und setzen häufig auf breitgefächerte Kompetenzen innerhalb des Teams. Insgesamt stellt santésuisse fest, dass Weiterbildung von zentraler Bedeutung ist, damit die Mitarbeitenden auch in Zukunft den dynamischen gesetzlichen Anforderungen und den steigenden Kundenerwartungen entsprechen können.
Damit das Weiterbildungsangebot den Bedürfnissen der Kranken- und Sozialversicherer entspricht, steht santésuisse in engem Kontakt mit den Mitgliedern. Viermal jährlich finden Treffen mit Vertretern der Krankenversicherer statt, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und Angebote entsprechend anzupassen. Ein weiterer Schwerpunkt von santésuisse ist der Aufbau und die Pflege eines Netzwerks für Krankenversicherungsspezialisten. Im Rahmen dieses Netzwerks finden jährlich zwei Online- und eine Präsenzveranstaltung statt, um Fachwissen zu aktualisieren. Es besteht auch eine Zusammenarbeit mit anderen Verbänden im Bereich Weiterbildung. Personalentwickler und Personalentwicklerinnen tauschen regelmässig Materialien und Best Practices aus, was von einem gemeinsamen Verständnis für die Bedeutung von Bildung zeugt.
Der Text basiert auf einem Interview mit Norbert Gemperle, Leiter Ressort Höhere Berufsbildung, Abteilung Bildung.
Schweizerische Bankiervereinigung – Drehscheibe für Wissenstransfer
Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) setzt sich für optimale Rahmenbedingungen im Finanzsektor ein und repräsentiert die Interessen von rund 270 Mitgliedsinstituten, darunter Grossbanken, Privatbanken als auch regionale Institute wie die Raiffeisen- oder Kantonalbanken.
Die SBVg hat einen Bildungsschwerpunkt, im Rahmen dessen sich der Verband unter anderem für die Weiterbildung engagiert. Sie bietet mit der Swiss Banking Academy verschiedene Webinare und Fachseminare an, um die Branche über aktuelle Entwicklungen zu informieren, beispielsweise zu regulatorischen Änderungen im Steuerbereich. Aber auch überfachliche Themen werden behandelt. So standen im Jahr 2023 insbesondere Nachhaltigkeitsthemen im Fokus, während derzeit Veranstaltungen zu künstlicher Intelligenz und Cybersecurity auf grosses Interesse stossen.
Die SBVg schätzt die Bedeutung von Weiterbildung in der Branche als hoch ein. Allerdings richten Weiterbildungsanbieter ihre Programme meist an Einzelpersonen. «Customized» Angebote für ganze Unternehmen gibt es insbesondere bei neuen regulatorischen Anforderungen, die eine flächendeckende Schulung des Beratungspersonals erfordern. Die SBVg selbst bietet keine direkte Beratung für Unternehmen bei der Planung von Weiterbildungen an, da die Kompetenz innerhalb der Institute als sehr hoch eingeschätzt und kein entsprechender Bedarf festgestellt wird.
Stattdessen sieht die SBVg ihre Rolle als Drehscheibe für Wissenstransfer. Weiterbildungsanbieter präsentieren ihre Angebote für die Branche auf einer zentralen Kursplattform. Ein- bis zweimal jährlich finden Treffen mit verschiedenen Anbietern statt, um Entwicklungen zu besprechen und die Nachfrage zu analysieren. Zudem verfügt die SBVg über eine Bildungskommission, in der Vertreter verschiedener Bankengruppen und regionaler Branchenverbände den Weiterbildungsbedarf ermitteln und zusammenführen. Aufgabe dieser Kommission ist es, die strategische Stossrichtung in den Bildungsthemen innerhalb der Branche Bank festzulegen und damit die Grundlage für gut ausgebildete und stets arbeitsmarktfähige Bankmitarbeitende zu schaffen.
Der Text basiert auf einem Interview mit Dominique Steiner, Leiter Bildung & Academy.
Hotel & Gastro formation Schweiz – Förderung von Geringqualifizierten
Hotel & Gastro formation Schweiz fungiert als zentrale Institution für die berufliche Bildung im Schweizer Gastgewerbe. Gegründet von den Trägerverbänden HotellerieSuisse, GastroSuisse und Hotel & Gastro Union, koordiniert sie als nationale Organisation der Arbeitswelt (OdA) die Ausbildung und teils auch die Weiterbildung in der Branche.3
Der Schwerpunkt von Hotel & Gastro formation liegt bei der beruflichen Grundbildung und der höheren Berufsbildung. In der betrieblichen Weiterbildung agieren die Trägerverbände HotellerieSuisse, GastroSuisse und Hotel & Gastro Union sowie die regionalen Verbände relativ unabhängig und haben ein eigenes Weiterbildungsangebot zu verschiedenen Fach- oder Managementthemen. Hotel & Gastro formation übernimmt dagegen die Weiterbildung von Mitarbeitenden ohne formalen Berufsabschluss auf nationaler Ebene. Mit Programmen wie den Progresso-Lehrgängen bietet sie praxisorientierte Schulungen in den Bereichen Hauswirtschaft, Küche, Service, Systemgastronomie und Allrounder an. Diese Lehrgänge ermöglichen es ungelernten Arbeitskräften, ein Branchenzertifikat zu erwerben, das den Zugang zu einem formalen Berufsabschluss erleichtert. Auf Anfrage von Betrieben werden auch betriebsinterne Schulungen gemacht, die auf den spezifischen Bedarf eines Betriebs zugeschnitten sind.
Zusätzlich unterstützt Hotel & Gastro formation die Betriebe durch spezifische Weiterbildungsangebote für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner. Diese Kurse zielen darauf ab, die Qualität der Ausbildung im Betrieb zu steigern und den Ausbildenden die notwendigen pädagogischen und fachlichen Kompetenzen zu vermitteln. Sie behandeln auch aktuelle Themen wie die junge Generation oder Migration.
Die Branche ist gemäss Einschätzung von Hotel & Gastro formation in Bewegung. Die Betriebe anerkennen zunehmend, dass Weiterbildung notwendig ist, vor allem wegen des Fachkräftemangels. So sind die Zahlen der Lernenden in den letzten Jahren stark zurückgegangen, was das Bewusstsein dafür gestärkt hat, dass das bestehende Personal qualifiziert werden muss. Sprachkurse sind besonders gefragt, da sie oft die Grundlage für weiterführende Bildungsmassnahmen bilden. Im Bereich höhere Berufsbildung kommt die Nachfrage stärker von Privatpersonen selbst, die sich beruflich weiterentwickeln wollen.
Die Umsetzung der Weiterbildung bleibt jedoch eine Herausforderung, weil viele Betriebe mit knappen Margen und Personalengpässen zu kämpfen haben. Sie befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Weiterbildung und den begrenzten Ressourcen (Kosten, Personalausfall während der Weiterbildung).
Dieser Text basiert auf einem Interview mit Mike Kuhn, Vizedirektor und Leiter Bildung.
Fazit: Berufs- und Branchenverbände als Vermittler und Koordinatoren
Die fünf hier vorgestellten Beispiele zeigen, dass Berufs- und Branchenverbände ihre Aktivitäten im Bereich der betrieblichen Weiterbildung primär nach den jeweiligen branchenspezifischen Anforderungen richten. Eine Gemeinsamkeit ist die enge Verbindung zu den Betrieben, sei es durch direkte Kooperationen, regionale Sektionen oder übergeordnete Trägerverbände. Alle Verbände betonen die Bedeutung von Weiterbildung in ihrer Branche, doch sehen sie ihre Aufgabe nicht unbedingt in der Bereitstellung von Weiterbildungsangeboten. Vielmehr agieren sie als Vermittler und Koordinatoren, die Entwicklungen analysieren und bedarfsgerechte Lösungen anbieten. Dabei reagieren sie vor allem auf branchenspezifische Problemlagen, wie den Fachkräftemangel, die Digitalisierung oder regulatorische Änderungen. Besonders sichtbar wird dies bei Hotel & Gastro formation Schweiz, welche gezielt Programme für geringqualifizierte Mitarbeitende anbietet, um formale Abschlüsse zu erleichtern, oder bei santésuisse und der SBVg, die mit spezialisierten Schulungen auf gesetzliche Neuerungen reagieren.
Unterschiedliche Rollen übernehmen die Verbände bei der direkten Beratung und Unterstützung von Betrieben. Während die Verbände bei grossen Unternehmen aufgrund ihrer internen Ressourcen wenig Bedarf an externen Weiterbildungsberatungen feststellen, wird die Situation von KMU anders eingeschätzt, da sie oft keine eigenen HR-Abteilungen mit entsprechender Expertise besitzen. Das Beispiel von Swissmechanic, welcher firmenspezifische Lösungen und Praxiskurse vor Ort anbietet, lässt die Vermutung zu, dass Verbände in Branchen mit vielen kleinen und von der Digitalisierung/Automatisierung betroffenen Betrieben eine aktivere Rolle einnehmen.
Aus der Perspektive der Weiterbildung fällt auf, dass die Professionalisierung eher ein Randthema bleibt. So scheint die Qualifizierung von Betriebspersonal für die Förderung der betrieblichen Weiterbildung keine grosse Rolle zu spielen und auch Qualitätsfragen kommen nur vereinzelt vor. Die Anerkennung von nonformalen Abschlüssen sowie die Verbindung zwischen Weiterbildung und formaler Bildung werden ebenfalls nur punktuell adressiert. Es ist zu erwarten, dass der Fachkräftemangel diese Themen zunehmend in den Fokus rückt, wobei den Branchen- und Berufsverbänden als zentrale Akteure im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung hier eine entscheidende Rolle zukommt für die Bereitstellung guter Branchenlösungen.
- Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF/ Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI: Organisationen der Arbeitswelt (OdA).
- Bis 2024 war santésuisse einer von zwei Brachenverbänden für schweizerische Krankenversicherer. Seit 2025 ist santésuisse eine Dienstleistungsorganisation und damit nicht mehr im eigentlichen Sinne ein Branchenverband. Die Abteilung Bildung erbringt jedoch noch immer für die ganze Branche die Dienstleistungen in der Rolle der OdA.
- Hotel & Gastro formation Schweiz ist kein Verband und hat keine eigenen Mitglieder. Allerdings übernimmt er die Rolle der Trägerschaft für die Berufsbildung in der Hotellerie und Gastronomie.
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