28.11.2023
N°2 2023

Kooperation für die berufliche Wiedereingliederung. Am Beispiel von Pôle Industrie

Um im Zuge von Weiterbildungsmassnahmen Kompetenzen zu entwickeln, welche die berufliche Wiedereingliederung ermöglichen, braucht es das Zusammenwirken verschiedener Variablen. Dieser Artikel reflektiert das Potenzial von Kooperationen in diesem Bereich am Beispiel des Pôle Industrie, einem in der Westschweiz ansässigen Weiterbildungszentrum, das eng mit Unternehmen der Region kooperiert. Anhand von konkreten Beispielen werden die wichtigsten Aspekte besprochen. Es wird den Fragen nachgegangen, wo die Chancen und Grenzen solcher Kooperationen liegen und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Kooperation als erfolgreich bezeichnet werden kann.

Entwicklung von Kompetenzen

Pôle Industrie ist ein gemeinnütziger Verein, der in der Vermittlung und Förderung von Kompetenzen mit dem Ziel der beruflichen Wiedereingliederung tätig ist. Der Verein hat seinen Sitz in Le Locle im Westschweizer Kanton Neuenburg (Neuchâtel). Pôle Industrie bietet Weiterbildungen in den Bereichen Uhrmacherei, Oberflächenveredelung (Polieren), Arbeiten im Reinraum1 (mit kontrollierter Atmosphäre), Lieferung und nachhaltige Entwicklung an. Ziel ist, dass die Teilnehmenden auf möglichst effiziente Weise einen Arbeitsplatz finden oder ihre Kompetenzen innerhalb des Unternehmens festigen. Die Besonderheit von Pôle Industrie besteht nicht nur darin, dass mit den Auftraggebern Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden, die auf Zusammenarbeit basieren, sondern auch in der vielfältigen Kooperation mit den Unternehmen der Region im Rahmen seiner Ausbildungsleistungen. In enger Zusammenarbeit mit seinen zahlreichen Partnern begleitet Pôle Industrie Einzelpersonen individuell anhand modularer, praktischer und theoretischer Ausbildungsaktivitäten, die so konzipiert sind, dass sie eine direkte Anwendung am Arbeitsplatz ermöglichen.

Je nach Auftraggeber kann das Zielpublikum dieser Weiterbildungen in vier Gruppen unterteilt werden, die Zugang haben zu verschiedenen Werkstätten:

  1. Beziehende von Arbeitslosengeld: Berufswerkstätten «Uhrmacherei», «PoliTech» (Polieren) und «Reinraum» (Produktionsarbeit in Umgebung mit kontrollierter Atmosphäre);
  2. Sozialhilfebeziehende: sozioprofessionelle Werkstätten «Nachhaltige Entwicklung» und «Schweizer Tafel»;
  3. Beziehende einer Invalidenrente: Werkstätten «Reinraum» und sozioprofessionelle Werkstätten  «Nachhaltige Entwicklung» und «Schweizer Tafel»;
  4. Beschäftigte, die bereits in einem Unternehmen tätig sind, können nach Bedarf individuell ebenfalls kurze, gezielte Ausbildungen in verschiedenen Bereichen machen.

Aus der Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern ergeben sich zwei zentrale Herausforderungen für Pôle Industrie. Auf der einen Seite haben die Teilnehmenden stark unterschiedliche Profile; dies erfordert pädagogische Überlegungen im Vorfeld einer Weiterbildung, da nicht nur die Lebensläufe unterschiedlich sind, sondern auch die persönlichen Erwartungen und Motivationen. Auf der anderen Seite variieren die spezifischen Ziele je nach Auftraggeber: Die Arbeitslosenversicherung möchte eine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und die vermehrte Rückkehr in den Beruf; die Sozialhilfe strebt die Entwicklung von Querschnittskompetenzen (Soft Skills) an; die Invalidenversicherung erhofft sich die Abklärung der Beschäftigungsfähigkeit und die Unternehmen wünschen sich die Entwicklung von beruflichen Kompetenzen zur Sicherung des Arbeitsplatzes.

Die genannten Herausforderungen treten natürlich nicht unabhängig voneinander auf, sondern sind eng verflochten, denn im Rahmen einer Bildungsleistung sind mindestens drei Akteure involviert: der oder die Teilnehmende, der Weiterbildungsträger (Pôle Industrie) und der Auftraggeber (Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe, Invalidenversicherung). Da das Ziel die Rückkehr zur (oder das Sichern der) Beschäftigung ist, kommt ein vierter Akteur hinzu, nämlich die Unternehmen in der Region. Genau bei diesen Akteuren setzt die Kooperation im lokalen Umfeld und auf andragogischer Ebene strategisch an.

Der Artikel untersucht die genannten Herausforderungen anhand konkreter Beispiele und geht dabei insbesondere den Fragen nach, worin die Chancen und Grenzen einer solchen Zusammenarbeit liegen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Kooperation als erfolgreich bezeichnet werden kann, und wie die manchmal divergierenden Erwartungen der Akteure zusammengeführt werden können. Je nach Fallbeispiel werden in diesem Artikel technische, strukturelle oder individuelle Aspekte erläutert, wobei diese in der Praxis miteinander verbunden sind.

Zusammenarbeit mit Unternehmen der Region

Der Arbeitsmarkt ist eng mit seinem geografischen Umfeld verbunden. Inmitten der grünen Landschaft des Juragebirges haben sich viele bekannte Uhrenhersteller sowie Zulieferfirmen und Subunternehmen niedergelassen. Wichtige Unternehmen, die für ihre Präzisionstechnik in den Bereichen Werkzeugmaschinen, medizinische Geräte oder auch Mikroelektronik bekannt sind, bilden das wirtschaftliche Gefüge des Kantons Neuenburg und seiner Umgebung. Ebenfalls im Zentrum dieser Region der Uhren- und Hochpräzisionsindustrie gelegen, versucht Pôle Industrie seine Teilnehmenden den Bedürfnissen dieser Unternehmen entsprechend auszubilden.

Im Rahmen von Berufswerkstätten, die für Arbeitslosengeld beziehende Personen angeboten werden, besteht das mit dem Auftraggeber vereinbarte Bildungsziel beispielsweise vor allem darin, dass die Teilnehmenden schnell wieder eine dauerhafte Beschäftigung finden. Um dieses Ziel bestmöglich zu erreichen, steht Pôle Industrie in ständigem Kontakt mit den Unternehmen und versucht so, deren tatsächliche Gegebenheiten kennenzulernen. Das Weiterbildungszentrum eruiert, welche spezifischen Fähigkeiten die Unternehmen benötigen, mit welchen Werkzeugen und Maschinen gearbeitet wird oder auch welche Umgangsformen erwartet werden. Im Zuge dieser Zusammenarbeit passt das Lehrteam seine Weiterbildungsmodule laufend an die Arbeitswelt an.

Mit dem richtigen Equipment lernen

Eine Herausforderung bei der Konzipierung und Entwicklung von Angeboten ist insbesondere die Synchronität, d.h. die richtigen Werkzeuge zur richtigen Zeit zur Verfügung zu haben. Die technischen Entwicklungen schreiten schnell voran, und manchmal können die Lernwerkstätten nicht Schritt halten und die methodisch-didaktischen Anpassungen hinken hinterher. In diesem Zusammenhang ist es oft schwierig zu wissen, welche Neuerungen dauerhaft sind oder ob sie im Gegenteil schnell veralten.

Als Beispiel hat Pôle Industrie 2018 die aufkommende Bedeutung von «Mensch-Maschine-Kompetenzen» identifiziert. Daraufhin hat es beschlossen, in den Kauf einer digital gesteuerten Maschine für die Polierwerkstatt zu investieren. Leider erwies sich diese Entwicklung im Laufe der Zeit als ungeeignet. Entgegen der Vermutung blieb die Arbeit im Bereich des Polierens nämlich überwiegend manuell. Zwar wurde der anstrengende Teil der Arbeit, die Vorbereitung, an Maschinen übertragen, aber an Maschinen einer neuen Generation, die kleiner und leistungsfähiger waren als die, die für die Weiterbildung erworben wurden. Die Maschine eignet sich heute nicht als didaktisches Werkzeug für ein Weiterbildungsmodul, mithilfe dessen die Teilnehmenden rasch wieder einen Arbeitsplatz finden. Denn die in den Weiterbildungen erworbenen Kompetenzen müssen maximal mit den von den Unternehmen erwarteten Kompetenzen übereinstimmen.

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit zwischen Weiterbildung und Arbeitswelt im Hinblick auf technische Anforderungen ist. Nach dieser Erfahrung in der Polierwerkstatt ging Pôle Industrie in der Reinraumwerkstatt anders vor. Aufgrund der Beobachtung der Unternehmenslandschaft in der Region wurde festgestellt, dass ein Unternehmen im medizinischen Bereich gerade dabei war, zu expandieren und eine Infrastruktur für eine Verpackungsaktivität für seine Produkte zu entwickeln. Diese neue Aktivität würde die Einstellung einer grossen Anzahl von Personen erfordern, die in einer Umgebung mit kontrollierter Atmosphäre arbeiten können. Nach Gesprächen mit diesem Unternehmen traf Pôle Industrie die Entscheidung, zu methodisch-didaktischen Zwecken eine automatisierte Abfüllanlage für die Werkstatt zu erwerben. Das heisst, sie haben sich zunächst die Zeit genommen, sich mit dem Unternehmen auszutauschen, bevor sie in eine neue Maschine investierten. Seither haben bereits einige der Teilnehmenden eine Anstellung gefunden in diesem oder anderen Unternehmen mit ähnlichen Maschinen. Wie dieses Beispiel zeigt, ermöglicht der Austausch mit den Unternehmen in der Region, die Ausbildungen bestmöglich an ihre Gegebenheiten anzupassen, sowohl inhaltlich mit dem richtigen Equipment als auch didaktisch.

Anhand realer Aufträge lernen

In einem anderen Fall erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, ihre beruflichen Fähigkeiten mithilfe von Material zu entwickeln, das direkt von den Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Denn die Zusammenarbeit mit Unternehmen in der Region ermöglicht es, reale Aktivitäten in Form von Aufträgen in die Weiterbildungsprogramme aufzunehmen. Konkret ermöglichen diese Projekte den Teilnehmenden, das Gelernte in einer realen Situation und unter den Qualitäts- und Terminbedingungen, die von einem Unternehmen gefordert werden, anzuwenden. Die Polierwerkstatt bearbeitet zum Beispiel jede Woche eine kleine Menge an Teilen für eine Uhrenfirma. Aufgrund der vorgegebenen Lieferfrist – ein Aspekt, der in diesem Fall hinzukommt – müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich organisieren und lernen im Team zusammenzuarbeiten, damit das Endprodukt qualitativ hochwertig ist und fristgerecht geliefert wird. Es ist eine Gelegenheit, Fähigkeiten im Bereich der Sozialkompetenz zu entwickeln, die für die Beschäftigung wichtig sind. Nicht konforme Teile werden vom Unternehmen retourniert, was auch eine Bewertung der von den Teilnehmenden geleisteten Arbeit darstellt, wodurch sie die Möglichkeit haben, sich zu verbessern. Aufgrund dieser als positiv erachteten Kooperationen und im Bewusstsein des Engagements von Pôle Industrie für die Ausbildung bieten die Unternehmen regelmässig an, Material in Form von Arbeitsmöbeln, Maschinen oder auch Einzelteilen abzugeben. Diese Unterstützung wird sehr geschätzt und erleichtert diese Art des Lernens aus der Nähe zur Unternehmensrealität, was für die Organisation sehr wichtig ist.

Berufsbegleitende Weiterbildung

Wie bereits erwähnt, ist es für Pôle Industrie unerlässlich, mit den Unternehmen der Region zusammenzuarbeiten, um zu gewährleisten, dass die Weiterbildungsangebote zweckmässig und effizient sind. Allerdings ist auch das Gegenteil möglich, und manchmal sind es die Unternehmen, die sich an das Zentrum wenden, um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihre Kompetenzen entsprechend ihren Bedürfnissen weiterentwickeln können. So wurde die Zusammenarbeit von Pôle Industrie mit Unternehmen um eine weitere Dimension ergänzt, indem es diesen Kompetenzen im Bereich der Erwachsenenbildung zur Verfügung stellt.

Ein Beispiel: Ein Uhrenhersteller war nicht zufrieden damit, dass einer seiner Oberflächenveredler nur einseitig einsetzbar war, und wollte, dass er seine Fähigkeiten weiterentwickelt, indem er andere Arbeitsschritte, Techniken und die Arbeit mit anderen Materialien erlernt. Daraufhin wurde gemeinsam mit dem Ausbildungsleiter und dem Firmenchef sowie der pädagogischen Leiterin und dem Ausbilder für Polierarbeiten von Pôle Industrie ein detailliertes, spezifisches Programm erarbeitet. Die Weiterbildung dauerte zwei Wochen, in denen der Teilnehmende viel Freude daran hatte, seine Fähigkeiten zu erweitern, um vielseitiger arbeiten zu können. Die Bewertungen des Lerntransfers (nach einer Woche und nach einem Monat) waren sehr positiv. Nicht nur die Firmenleitung war mit der neuen Polyvalenz ihres Mitarbeiters sehr zufrieden, sondern auch der Mitarbeiter war froh, dass sich dank seiner neuen Fähigkeiten seine Aufgaben nun abwechslungsreicher gestalteten.

In einer Zeit, in der die Einstellung von neuem Personal aufgrund des Fachkräftemangels schwierig ist, ist die Weiterbildung von bestehendem Personal eine sinnvolle Lösung für ein Unternehmen. Der Arbeitgeber entscheidet sich oft dagegen, eine Weiterbildung anzubieten, vor allem, weil sie langwierig sein kann und weil es schwierig ist, die Produktion aufrecht zu erhalten, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen. Die Situation zeigt jedoch, dass eine gute Zusammenarbeit mit den Unternehmen den schnellen Aufbau von kurzen und gezielten Schulungen ermöglicht. In diesem Sinne hat sich Pôle Industrie Gedanken über seine Rolle als Bildungsanbieter gemacht und beschlossen, seine Tätigkeit im Bereich der beruflichen Weiterbildung zu erweitern, indem der Verein Weiterbildungen für Personen anbietet, die in den Unternehmen der Region beschäftigt sind. Dank der verschiedenen bestehenden Kooperationen ist Pôle Industrie ausreichend mit pädagogischen und materiellen Ressourcen ausgestattet, um eine breite Palette an Weiterbildungsangeboten zu bieten, die auf die Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten sind.

Kooperation mit anderen Bildungsakteuren

Im Frühjahr 2023 vermeldete der Arbeitgeberverband der Schweizer Uhrenindustrie (CPIH) einen Mangel an 4000 Fachkräften in der Branche. Daraufhin erklärte sich Pôle Industrie bereit, Unterstützung zu leisten, um den Arbeitskräftemangel zu beheben. Die von Pôle Industrie angebotenen Weiterbildungen führen jedoch zu keinem anerkannten Abschluss (wie ein EBA oder ein EFZ). Diese paradox erscheinende Situation hat deutlich gemacht, dass die Weiterbildungen je nach den Erwartungen der Arbeitgeber in einer bestimmten Branche zwar ein Mittel für Teilnehmende im beruflichen Übergang sind, um ihre Möglichkeiten zu erweitern, dass sie aber nicht immer ausreichen, um einen Arbeitsplatz zu finden – obwohl dies das Ziel von Pôle Industrie ist. Es wurde klar, dass es eine wichtige Aufgabe ist, den Teilnehmenden zu ermöglichen, sich eine solide Grundlage anzueignen, um bei der Arbeitssuche wieder Fuss zu fassen. Es muss für sie aber auch möglich sein, eine zertifizierte Ausbildung zu absolvieren, um ihre Position in ihrer beruflichen Laufbahn zu festigen. Denn Pôle Industrie versteht sich als Sprungbrett zur Professionalisierung, zum lebenslangen Lernen und idealerweise zum Erwerb von Zertifikaten, die ein solides Berufsprofil und einen beständigen Arbeitsplatz in der Zukunft gewährleisten.

Ausgehend von dieser Erkenntnis setzte sich Pôle Industrie dafür ein, Kooperationen mit möglichst vielen anderen Bildungszentren einzugehen und so die Möglichkeit zu schaffen, die entwickelten Ausbildungen weiterzuführen, indem sie mit anderen ergänzt werden. Für seine Reinraumwerkstatt arbeitete es beispielsweise mit einem Zentrum in Freiburg zusammen, das Schulungen im pharmazeutischen Bereich anbietet. Mit diesem Partner wurde eine spezifische Form des Austausches eingeführt: Ein Ausbilder oder eine Ausbilderin von Pôle Industrie hält pro Quartal einen Schulungstag beim Partner ab und ein Ausbilder oder eine Ausbilderin des Partners kommt für einen Schulungstag zu Pôle Industrie. Diese Zusammenarbeit bringt mehrere Vorteile mit sich: Für die Teilnehmenden bedeutet dies, dass sie während ihrer Ausbildung andere Bereiche kennenlernen und das Spektrum ihrer beruflichen Möglichkeiten erweitern, und dass sie ihre Kompetenzen in einem bestimmten Bereich ausbauen können, um mit einem schärferen Profil bei den Unternehmen vorzusprechen. Für die Ausbildenden bedeutet dies, dass sie ihre Ausbildungsaktivitäten diversifizieren, sich in ihrem andragogischen Werdegang weiterentwickeln und sich unter Fachkolleginnen und ‑kollegen austauschen können.

Brücken bauen

In den beiden sozioprofessionellen Werkstätten, die sich hauptsächlich an Sozialhilfebeziehende richten, besteht das mit dem Auftraggeber vereinbarte Ziel darin, dass die Teilnehmenden ihre transversalen Kompetenzen wie Arbeitsrhythmus, Teamarbeit oder das Einhalten von Anweisungen weiterentwickeln und so ihre Beschäftigungsfähigkeit erhöhen. Im Rahmen der kantonalen Integrationspolitik ergibt sich durch die Validierung von Grund- und Querschnittskompetenzen ein Anspruch auf Arbeitslosenversicherung. Da Pôle Industrie über Berufswerkstätten verfügt und die Organisation sich ganzheitlich der Wiedereingliederung verschrieben hat, begleitet es Personen, die Sozialhilfe empfangen, umfassend bei ihrer Entwicklung bis hin zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Um diese Dynamik zu veranschaulichen, kann der exemplarische Fall eines Teilnehmenden beschrieben werden, der in die Werkstatt «Nachhaltige Entwicklung» kam. Da er mehrere Jahre erwerbslos war, fiel es ihm schwer, regelmässig in die Einrichtung zu kommen. Er fühlte sich verloren, es fehlte ihm an Selbstvertrauen und er sah keine beruflichen Perspektiven. Nach einigen Monaten in der Werkstatt hat er wieder einen Rhythmus gefunden, Freude daran, zur Arbeit zu kommen und sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Nachdem er selbstbewusster und motivierter wurde, erfüllte er alle Kriterien, um sich bei der Arbeitslosenversicherung zu melden, woraufhin er die Möglichkeit bekam, die Berufsausbildung zum Polierer zu absolvieren. Während dieser Ausbildung machte er ein Praktikum bei einem der Partnerunternehmen, wo er schliesslich eine Anstellung erhielt.

Die Ausstattung und fundierte Erfahrung von Pôle Industrie bei der Entwicklung von Querschnitts- und Fachkompetenzen sind ebenfalls von Vorteil für die effiziente Zusammenarbeit mit der Invalidenversicherung. Denn die Personen, die diese Versicherung in Anspruch nehmen, sind gesundheitlich beeinträchtigt und können ihren Beruf in der Regel nicht mehr ausüben. Die Ziele dieses Auftraggebers erfüllt Pôle Industrie, indem es die Kompetenzen und Fähigkeiten der Leistungsbeziehenden bewertet, aufgrund deren diese dann neue Kompetenzen entwickeln können, die die Rückkehr in die Beschäftigung begünstigen. So konnte Pôle Industrie beispielsweise durch seine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aus dem medizinischen Bereich einer Teilnehmenden, die zu Pôle Industrie gekommen war, im entsprechenden Rahmen ein Praktikum anbieten. Sie absolvierte das Praktikum zur grossen Zufriedenheit des Unternehmens, das ihr daraufhin eine Teilzeitstelle anbot. Es war für sie ein langer, steiniger und herausfordernder Weg, aber die Zusammenarbeit und Unterstützung aller Beteiligter sowie der Wille der Teilnehmenden haben es ihr ermöglicht, heute im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.

Natürlich hat jeder Werdegang seine Besonderheiten und Herausforderungen. Die verschiedenen Etappen dieser beiden individuellen Laufbahnen innerhalb von Pôle Industrie zeigen jedoch deutlich die Kohärenz zwischen den angebotenen Weiterbildungen, die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Auftraggebern sowie die Kooperation mit den Unternehmen in der Region. Die oben beschriebenen Beispiele individueller Lernwege, die erfolgreich abgeschlossen wurden, zeigen darüber hinaus, dass die Werkstätten als Brücke zu anderen Werkstätten fungieren, die dann zu einer echten und stabilen Beschäftigung führen können. Diese Brückenfunktion, die den Weg zum Arbeitsmarkt eröffnet, ist ebenfalls das Ergebnis der Kooperationen zwischen Pôle Industrie und den Unternehmen in der Region.

Schlusswort

Das Telefon läutet ... es ist ein Personalvermittler, der von den Weiterbildungen bei Pôle Industrie gehört hat! Damit schliesst sich der Kreis: Es ist eine Bestätigung, dass der Ansatz der Zusammenarbeit richtig ist. Pôle Industrie bildet arbeitsuchende Personen aus und orientiert sich dabei an der Realität in den Unternehmen, um die beruflichen Kompetenzen zu vermitteln, die für die Suche nach (oder den Verbleib an) einem Arbeitsplatz erwartet werden.

Die Förderung spezifischer oder transversaler Kompetenzen in einer Weiterbildung mit dem Ziel der beruflichen Wiedereingliederung erfordert das Zusammenspiel zahlreicher Variablen, von denen einige besser steuerbar sind als andere. Seit Anfang 2021 hat jede Zweite der Teilnehmenden vor Abschluss ihrer Weiterbildung in den Berufswerkstätten eine Stelle gefunden und ist damit wieder in ein Beschäftigungsverhältnis gekommen. Diese Quote konnte auch dank dem hervorragenden ersten Halbjahr 2023 erreicht werden, in dem die Arbeitslosigkeit sehr niedrig und die Zahl der Personen, die eingestellt wurden, sehr hoch war. Genau hier liegt eine der Herausforderungen für Pôle Industrie. Die Konjunktur ist eine bedeutende Variable, die sich nicht beeinflussen lässt, von der die Rückkehrquote in den Arbeitsmarkt jedoch stark abhängt. Die Bedürfnisse und Erwartungen der Personalabteilungen und die Profile der gesuchten Arbeitskräfte hängen grösstenteils unmittelbar von den wirtschaftlichen Bedingungen und vom Arbeitsmarkt ab. Um der konjunkturellen Unwägbarkeit, von der der Eingliederungserfolg abhängt, etwas entgegenzusetzen, setzt Pôle Industrie auf mehrere Strategien, die darauf abzielen, andere Variablen zu stärken und zu stabilisieren. Dazu gehört die Abstimmung der Bildungsinhalte mit den realen Arbeitssituationen sowie der Erwartungen der Teilnehmenden mit den Anforderungen der künftigen Arbeitgeber. Eine der wirkungsvollsten Strategien, die im Mittelpunkt des Konzepts von Pôle Industrie stehen, ist die Umsetzung verschiedener Kooperationen mit den Unternehmen der Region, um die Ziele, Erwartungen und Inhalte der Bildungsprogramme, die Kommunikation zwischen den Parteien und letztendlich die berufliche Wiedereingliederung so erfolgreich wie möglich zu gestalten.

Beschreibt man in reflektierender Weise verschiedene Formen und Situationen von Kooperationen anhand konkreter Beispiele, wird deutlich, dass mehrere Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Kooperation als erfolgreich bezeichnet werden kann. Es geht vor allem darum, die gemeinsamen Ziele zu erkennen (Beispiel Sozialhilfe), gemeinsame Interessen zu haben (Beispiel Outsourcing), den Wunsch zu haben, sich gegenseitig zu helfen oder sich gemeinsam weiterzuentwickeln (Beispiel Austausch von Ausbildenden), motiviert zu bleiben und sich nicht entmutigen zu lassen (Beispiel Invalidenversicherung), vorhersagen zu können oder zumindest zu erkennen, dass man die richtigen Werkzeuge zum richtigen Zeitpunkt hat (Beispiel Arbeitslosigkeit). Diese vielfältigen Kooperationen sind letztlich für alle Beteiligten von Vorteil – sowohl aus individueller als auch aus institutioneller Sicht – und äusserst wertvoll, um gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren in der Region qualitativ hochwertige Arbeit leisten zu können.

  1. Bei einem Reinraum handelt es sich um einen geschlossenen Raum, in den mittels eines Filtersystems staub- und keimfreie Luft eingelassen wird. Man braucht diese Räume unter anderem in der Pharma- und der Lebensmittelindustrie oder bei der Herstellung von elektronischen Geräten.