28.11.2023
N°2 2023

Kooperationen in der Weiterbildung – Überblick und aktuelle Herausforderungen 

Kooperationen sind für viele Anbieter und Stakeholder in der Weiterbildung essentiell und sie nehmen vielfältige Erscheinungsformen an. Aufgrund der ihr zugesprochenen hohen Relevanz, nicht zuletzt von bildungspolitischer Seite, überrascht es nicht, dass sich Kooperation als berufliche Norm in der Weiterbildung durchgesetzt hat. Mit dem Kooperationsthema wird ein weites Feld aufgespannt, das in der Weiterbildungsforschung fortwährend bearbeitet wird. Der Beitrag gibt einen Überblick zum theoretischen und empirischen Erkenntnisstand und beleuchtet aktuelle Herausforderungen. Diskutiert werden der Umgang mit Paradoxien und differenten Handlungslogiken sowie die Auswirkungen der Digitalisierung auf Kooperationen. 

Einführung: Heterogene Erscheinungsformen und Begrifflichkeiten 

Allgemein zielt Kooperation auf die Herstellung von Synergieeffekten und wechselseitigen Vorteilen, auch wenn diese für die beteiligten Akteure unterschiedlich sein können. Aus diesem Verständnis erklären sich die vielfältigen Anlässe und Erscheinungsformen von Kooperation, die in der Weiterbildung anzutreffen sind: Sie reichen vom alltäglichen, kollegialen Austausch, gemeinsamen Bildungsangeboten und Entwicklungsprojekten über strategische Kooperationen im Bereich Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder politischer Interessenvertretung bis hin zu dauerhaften, kooperativ angelegten Leistungen, z.B. Stellen für Weiterbildungsberatung. 

Ausgehend vom etymologischen Ursprung im Lateinischen («cooperatio») betont der Kooperationsbegriff das Zusammenwirken von Akteuren, die jeweils spezifische Ressourcen und Kompetenzen einbringen (Dollhausen & Mickler, 2011). Erst daraus ergibt sich ein Mehrwert, den die beteiligten Akteure nicht alleine vollbringen können. In dieser Hinsicht bildet Kooperation ein eigenständiges soziales System, das im idealtypischen Sinne auf Vertrauen, freiwilliger Selbstverpflichtung, (relativer) Autonomie oder Flexibilität basiert (Sydow & Windeler, 2000). Neben diesem sozialwissenschaftlichen Zugang wird in den letzten Jahren zunehmend auf ein organisationstheoretisches Verständnis rekurriert, das Kooperation unter strategischen Gesichtspunkten als Bestandteil der Organisationsentwicklung betrachtet (Feld, 2011). Im gesamten Bildungsbereich sind Kooperationen eng mit Netzwerken verbunden. Mit dem Netzwerkbegriff wird das multilaterale Beziehungsgeflecht von Akteuren adressiert, die sich über ihre Handlungen innerhalb der vernetzten Struktur koordinieren. In einer solchen netzwerktheoretischen Sicht wird Kooperation als spezifische Handlungsform aufgefasst, durch welche die Netzwerkaktivitäten zum Ausdruck kommen. Soziale Netzwerke werden demnach als Gelegenheitsstruktur betrachtet, um neue Vernetzungen herzustellen und schliesslich Kooperationen umzusetzen. 

Vernetzung und Kooperation

In der Weiterbildung stehen Vernetzung und Kooperation, die sich als spezifische Praktiken voneinander abgrenzen lassen, in einem engen Verhältnis. Franz und Feld (2015) begreifen Vernetzung als erwachsenenpädagogische Praktik, um Wissensbestände oder Lernorte zu verknüpfen und auf diese Weise Lern- und Bildungsprozesse im Erwachsenenalter zu ermöglichen. Dadurch wird Vernetzung zu einer Professionalisierungsaufgabe, um (Beziehungs-)Ressourcen als soziales Kapital aufzubauen. Darüber hinaus verweisen die Autor:innen auf die interorganisationale Vernetzung, die schliesslich zu Kooperation führt, welche sich dann auf zumeist zeitlich begrenzte Projekte oder Aufgaben bezieht (vgl. ebd. S.117–118). 

Aus dem Zusammenspiel von Vernetzung und Kooperation als spezifische erwachsenenpädagogische Praktiken, in dessen Folge sich institutionalisierte Netzwerkstrukturen ausprägen (im Sinne eines sowohl personen- als auch organisationsbezogenen Beziehungsgeflechts), lässt sich die historische Strukturentwicklung der Weiterbildung und die Genese ihrer spezifischen Institutionalformen erklären (Schäffter, 2004). So beruhen die Gründungen vieler Anbieter-, Träger- und Verbandsorganisationen in der Weiterbildung auf den akteursspezifischen Vernetzungen und Kooperationsaktivitäten, etwa im Kontext sozialer Bewegungen, Werte- und Interessengemeinschaften wie Kirchen, Kammern oder Berufsverbände (Schrader, 2011). Jedoch ist die historische Strukturentwicklung der Weiterbildung nicht nur als «Graswurzelbewegung» zu erklären, sondern gleichermassen durch bildungspolitische Steuerungsansätze, die sich auf die Herausbildung von Netzwerk- und Kooperationsstrukturen auswirken. Hierhin verdeutlicht sich ein steuerungs- bzw. governancetheoretisches Verständnis: Netzwerke und Kooperationen werden in dieser Perspektive als alternative Koordinationsform zwischen Markt und Hierarchie konturiert, um eine verstärkte Selbstorganisation und Abstimmung zwischen Akteuren zu erzeugen (Wilke, 1995, S.137). Jenseits von streng formalisierten Beziehungen wird dabei auf das wechselseitige Vertrauen der Akteure gesetzt, um eine effiziente und zielgerichtete Handlungsabstimmung zu ermöglichen (Kussau & Brüsemeister, 2007, S.40–41). In der Weiterbildung spiegeln sich derlei bildungspolitische Steuerungsversuche sowohl in rechtlichen Normierungen, so z.B. in den Kooperationsgeboten der Weiterbildungsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland, als auch in den vielfältigen, überwiegend zeitlich limitierten Förderprogrammen wider. Hervorzuheben sind bildungspolitische Massnahmen, die Netzwerkbildung mit Ansätzen der Regionalentwicklung verbinden, um die bereichsübergreifende Kooperation zwischen Akteuren aus (Weiter-)Bildung, Wirtschaft, Kultur oder Sozialem zu stimulieren. Das Ziel von Programmen wie etwa «Lernende Regionen» oder «Kommunale Bildungslandschaften» bestand darin, Durchlässigkeit, Erreichbarkeit und Beteiligung zu erhöhen sowie Übergänge im Bildungssystem zu gestalten. In den letzten Jahren hat sich die Aufmerksamkeit bildungspolitischer Steuerung stärker auf die Entwicklung von digital vernetzten Infrastrukturen in der Weiterbildung verlagert, die gleichermassen auf kooperative Strategien setzen. 

Forschungsstränge und Typologien zu Kooperationen 

Vor dem Hintergrund der skizzierten Erscheinungsformen und bildungspolitischen Steuerungsansätze hat sich ein eigenständiger Forschungszweig einer erwachsenenpädagogischen Kooperations- und Netzwerkforschung herausgebildet (Überblick: Alke & Jütte, 2018), der u.a. durch wissenschaftliche Begleitforschungen, Evaluationen und Gutachten unterfüttert wurde. In einem heuristischen Zugang zeichnen sich vier spezifische Forschungsstränge ab: Erstens liegen eine Reihe von Arbeiten vor, die auf Basis empirischer Analysen grundlegende Einsichten in die Vernetzungs- und Kooperationsaktivitäten in der Weiterbildung liefern. Hervorzuheben ist die mikroanalytisch ausgerichtete Studie von Jütte (2002) am Beispiel einer norddeutschen Stadt, welche die Kooperationsstrukturen, -kulturen, -dynamiken und -ökologie umfassend rekonstruiert. Zweitens ist auf Untersuchungen zu Kooperationen in spezifischen Kontexten der beruflichen, betrieblichen oder wissenschaftlichen Weiterbildung zu verweisen (Überblick: Büchter, 2000; Sweers, 2020). Die Untersuchungen geben etwa Einblicke in die Zusammenarbeit mit Unternehmen (z.B. Maschwitz, 2014) oder beleuchten die besondere Situation von betriebsnahen Weiterbildungsanbietern in der Schweiz (Weil & Gonon, 2012). Ein dritter Forschungsstrang widmet sich aus einer organisationstheoretischen Sicht den Funktionsweisen und Problemlagen interorganisationaler Kooperationen. Vorangetrieben wurde dieser Strang durch die Leibniz Graduate School für empirische Weiterbildungsforschung von 2010 bis 2014 im Verbund des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung mit der Philipps-Universität Marburg. Die Studien beschäftigen sich u.a. mit Organisationsformen und Entwicklungsdynamiken kooperativer Weiterbildungsarrangements (vgl. Überblick: Dollhausen et al., 2013). In einem vierten Strang lassen sich Forschungen subsumieren, die Kooperation unter Gesichtspunkten der Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung betrachten. Neben Untersuchungen zum Kooperationsmanagement ist hier auf Studien aus der komparativen pädagogischen Berufsgruppenforschung zu verweisen, die u.a. bildungsbereichsübergreifende Kooperationen untersucht haben (vgl. Nittel et al., 2014). Aufschlussreich sind etwa die Befunde zur differenten Kooperationsbereitschaft und den Selbst- und Fremdbildern zwischen den Bildungsbereichen: Bestehende Negativbilder und Stereotype wirken sich demnach hinderlich auf die Initiierung und Umsetzung von bildungsbereichsübergreifender Kooperation aus (Siewert & Wahl, 2014). Angesichts der sich hier abzeichnenden Bedarfe für die Professionalitäts- und Organisationsentwicklung werden Kooperationen zunehmend aus einer erwachsenenpädagogischen Sichtweise als Lernanlass für Individuen und Organisationen thematisiert (Franz, 2014; Jenner, 2018).

Anknüpfend an die empirisch gewonnenen Erkenntnisse wurden einige Systematisierungsvorschläge und Typologien zu Kooperationen unterbreitet. Zunächst lassen sie sich auf horizontaler (Kooperation zwischen Anbietern eines Bildungsbereichs) oder vertikaler Ebene (Kooperation zwischen Anbietern mehrerer Bildungsbereiche) unterscheiden. Aufgrund der Ähnlichkeit der Beteiligten können horizontale Kooperationen durch Konkurrenz geprägt sein, während sich in vertikalen Kooperationen zumeist unterschiedliche Kompetenzen ergänzen (Tippelt, 2015). Jütte (2002) hat die vielfältigen Kooperationsaktivitäten in der Weiterbildung entlang ihres Intensitäts-, Formalisierungs- und Institutionalisierungsgrades sowie mit Blick auf ihre kurz-, mittel- oder langfristige Ausrichtung differenziert, um zu verdeutlichen, dass sie sich als polyvalentes Handeln auf und zwischen unterschiedlichen Systemebenen der Weiterbildung vollziehen. Nuissl (2010) unterscheidet vier Formen typischer Kooperationsstrukturen: In komplementären Kooperationen werden bestimmte Ressourcen und Leistungen ergänzend eingebracht. Subsidiäre Kooperationen dienen der Effizienzsteigerung, supportive Kooperation bezieht sich auf die Unterstützung für einen bestimmten Zweck und integrative Kooperation meint die Entwicklung eines gemeinsamen Projekts oder Angebots. 

Paradoxien und multiple Handlungslogiken in Kooperationen  

Die von Nuissl (2010) vorgeschlagenen Typen verweisen auf wichtige Grundelemente und Funktionen von Kooperationen, sie lassen jedoch ausser Acht, dass sie sich häufig unter Bedingungen gleichzeitigen Wettbewerbs und den Legitimationsnotwendigkeiten der Weiterbildungsanbieter vollziehen. Zudem zeigen einige der skizzierten Untersuchungen, dass Kooperation hybride Formen annimmt, indem die Grenzen zwischen kooperativer Abstimmung, hierarchischer Steuerung oder der Übernahme von Dienstleistungen fliessend sind. Des Weitern gibt es aus der Weiterbildungsforschung vielfältige Hinweise, dass sich in den kooperativ ausgerichteten Akteurskonstellationen Konkurrenz, Misstrauen, Widerstände, einseitige Vorteilsnahme, Machtansprüche oder Kooperationsinszenierungen jenseits wahrer Absichten ausprägen, die den Mehrwert der Zusammenarbeit mindern und den Erfolg behindern. Vor diesem Hintergrund wird die im Weiterbildungsbereich zuweilen anzutreffende harmonieorientierte Sichtweise konterkariert (kritisch dazu: Wittpoth, 2003) und es erscheint notwendig, die Typologie zu erweitern, um die Ambivalenzen und Paradoxien von Kooperationsrealitäten angemessener beleuchten zu können. Mit dem Typus der antagonistischen Kooperation wird es möglich, Kooperation und Konkurrenz nicht nur als einfache Gegensätze, sondern in ihrer Gleichzeitigkeit und im Sinne eines «Sowohl-als-auch» zu betrachten (Schumacher & Schmidt, 2022, S.11). Es wird in den Vordergrund gerückt, dass Vorteile und der Austausch von Leistungen auch dann möglich sind, wenn die Beteiligten je eigene Ziele verfolgen, die sich durchaus widersprechen können. In Vergegenwärtigung der skizzierten Kooperationsverständnisse ist zu konstatieren, dass diese implizit zumeist auf der unhinterfragten Annahme einer gemeinsamen Zielperspektive beruhen, welche die Basis für die Zusammenarbeit bildet. Das dahinterliegende klassische Bild von Kooperation als steuerbare, linear-kausale Arbeitsteilung, nach der alle auf ein Ziel hinarbeiten, entspricht jedoch nicht mehr den zunehmend komplexer werdenden Anforderungen und Dynamiken von Zusammenarbeit: «Heute prägt vielfach ein Kooperationswettbewerb das Handeln in und zwischen Organisationen. Statt also Kooperation und Konkurrenz voneinander abzugrenzen, hat sich Koopetition, also das Ineinandergreifen von kooperativen und kompetitiven Dynamiken, als Zustandsbeschreibung für viele Organisationen durchgesetzt.» (ebd.).

Multiple Handlungslogiken

In diesem Ansatz deutet sich an, dass Kooperationen nicht nur durch (permanente) Veränderungsdynamiken, sondern gleichermassen durch multiple Handlungslogiken geprägt sein können, die sich im Zusammenwirken der Akteure durchaus spannungs- und konfliktgeladen zeigen können. Angesichts dieser Herausforderung stellt sich die Frage, wie ein angemessener Umgang mit den verschiedenen Handlungslogiken aussehen kann, der es ermöglicht, dass die differenten Ziele der Akteure verwirklicht werden können. Ein erster Zugang besteht darin, multiple Sichtweisen, Differenzen und Konflikte als immanenten Bestandteil von Kooperation zu erkennen, um sie dann für die beteiligten Akteure produktiv zu wenden. Dazu bietet sich ein Ansatz von Rüegg-Sturm et al. (2015) aus der Managementforschung an, welcher sich den Umgangsweisen mit multiplen Handlungslogiken im Kontext von Organisationen widmet und der auf kooperative Arrangements übertragen werden kann. 

Zum einen werden die Umgangsweisen dahingehend differenziert, ob sie sich implizit oder explizit vollziehen, also ob entweder eine offensive Thematisierung stattfindet oder ein latenter Umgang festzustellen ist. Zum anderen unterscheiden sich Umgangsweisen darin, ob von den Akteuren eine monoperspektivische oder multiperspektivische Sichtweise eingenommen wird. Im Einzelnen zeigen sich schliesslich folgende Umgangsweisen in Kooperationen: 

  • Vermeidung: Hier liegt die Aufmerksamkeit auf der eigenen Handlungslogik, andere Logiken werden nicht als vorteilhaft angesehen und etwaige Unterschiede werden als uninteressant zur Kenntnis genommen oder als irrelevant eingeschätzt (ebd. S.7). Dies führt in der Tendenz zu eher wenigen externen Kooperationen und wenn, dann überwiegend mit ähnlichen Partnern. 
  • Isolation oder Polarisierung: Auch hier ist eine monoperspektivische Sichtweise auf Handlungslogiken vorherrschend, die jedoch sehr deutlich expliziert wird. Andere Logiken werden als vereinfacht oder bedrohlich wahrgenommen, vehement abgewehrt und sie wirken sich hinderlich auf mögliche Kooperationen aus. «Entstehende Überlegenheitsgefühle führen häufig zu einer überzogenen Selbstüberzeugung bis hin zu Arroganz.» (ebd. S.7).  
  • Minimierung: Hier werden Unterschiede zwischen Handlungslogiken durchaus multiperspektivisch wahrgenommen, aber eher auf individuelle Unterschiede zurückgeführt. Implizit wird weiterhin die eigene Logik als allgemeingültig angesehen und «die eigenen Rationalitäts- und Erfolgsvorstellungen werden unbewusst zum Standard erhoben. Damit wird aber auch die Wahrnehmung der eigenen Logik als eine unter vielen, das Verstehen der anderen Logiken sowie ein eventuell anderer Umgang mit anderen Logiken vermieden» (ebd. S.8). Minimierung bewegt sich dadurch im Schnittfeld von Mono- und Multiperspektivität. In der Tendenz ist ein impliziter Umgang mit den unterschiedlichen Handlungslogiken weiterhin vorherrschend. 
  • Toleranz: Hier wird sowohl die eigene Logik als auch die der anderen differenziert wahrgenommen und wertschätzend behandelt. Jedoch findet dabei kein offensiver, multiperspektivischer Umgang mit den Logiken statt (ebd. S.8). 
  • Förderung: Die Nutzung und Förderung unterschiedlicher Logiken zeigt sich darin, dass die Wahrnehmung und das Verhalten zwischen unterschiedlichen Logiken bewusst mit Blick auf das Fruchtbarmachen von Mehrperspektivität erfolgt. Das erfordert die Fähigkeit der temporären Perspektivübernahme einer anderen Logik, um Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Logiken auf einer Metaebene zu reflektieren (vgl. ebd. S.9).

Die hier angesprochenen multiplen Handlungslogiken finden ebenso Widerhall in der gegenwärtigen gesellschaftlichen digitalen Transformation, die sich in vielfacher Hinsicht auf den Weiterbildungsbereich insgesamt (Haberzeth & Sgier, 2019) und damit auch auf die bestehenden Netzwerke und Kooperationen auswirkt. 

Aktuelle Entwicklungen: Kooperation und Digitalisierung 

Es liegt auf der Hand, dass der «Digitalisierungsschub» der Weiterbildung sowohl das Spektrum als auch die Erscheinungsformen von Kooperationen verändert und erweitert. So sind auf dem Weiterbildungsmarkt neue Anbieter (vor allem aus der Ed-Tech-Branche) sowie digitale Dienstleistungen und Geschäftsmodelle existent, die sich auf die Wettbewerbssituation auswirken (Gollob, 2022). Digitale Infrastrukturen, wie etwa Lern-, Kollaborations- oder Marketingplattformen, welche die Anbieter nutzen oder die eigens entwickelt wurden, sind zumeist stark auf Vernetzung als Funktionsprinzip ausgerichtet, um beispielsweise Reputationseffekte bei (potenziellen) Teilnehmenden zu erzeugen. In dieser Hinsicht gehen von den Plattformen nicht nur neue und schier unermessliche Vernetzungsoptionen aus, sondern sie führen auch zu einer Überlagerung mit den bereits bestehenden, zumeist regionalen Vernetzungen und Kooperationsstrukturen. 

Die daraus hervorgehende Komplexitätssteigerung ist mit neuen Anforderungen für das Weiterbildungsmanagement verbunden. So lassen sich neue Funktionsbereiche beobachten, wie z.B. das «Communitymanagement» in digital vernetzten Weiterbildungsstrukturen (Müller, 2023). Vor allem im Bereich des digitalen Bildungsmarketings bahnen sich gegenwärtig viele Kooperationen zwischen Weiterbildungsanbietern an, auch unterstützt durch externe Dienstleister und Agenturen, die marketingbezogenes Know-how liefern oder technische Infrastrukturen bereitstellen. Somit gewinnt interdisziplinäre Kooperation an Bedeutung und aktuelle Stellenanzeigenanalysen verweisen darauf, dass medienpädagogisches, technisches oder marketingbezogenes Wissen von Weiterbildungsanbietern zunehmend mehr nachgefragt wird (Alke & Uhl, 2021). In der interdisziplinären Zusammenarbeit treffen dann unterschiedliche Handlungslogiken aufeinander, die wechselseitiges Verständnis und Vertrauen sowie Aushandlungs- und Kompromissbereitschaft von allen Beteiligten erfordern. Die dauerhafte Kooperation mit externen Akteuren führt in der Folge ebenso dazu, dass sich die organisationalen Grenzen zwischen innen und aussen verschieben (können). Auch hier stellt sich für das Weiterbildungsmanagement die Aufgabe, wie das Verhältnis von enger und loser Kopplung zwischen Internen und Externen zukünftig ausgestaltet werden kann. 

Die Auswirkungen der Digitalisierung verursachen auch eine Verunsicherung bei vielen Weiterbildungsanbietern, nicht zuletzt durch den wirtschaftlichen Einbruch, den viele in der Pandemie erfahren haben (Poopalapillai & Sgier, 2022). Vor allem für viele kleine Anbieter ist Kooperation ein strategischer Ansatz, um innovative digitale Infrastrukturen aufzubauen und sich gegenüber Geschäftsmodellen aus der Digitalwirtschaft zu behaupten. Anzutreffen sind Ansätze der kooperativen Innovationsentwicklung im gesamten Spektrum der allgemeinen, beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung. Neben dem hohen Innovationswettbewerb verursachen die kurzen Innovationszyklen im Zuge der Digitalisierung einen starken Druck auf die Anbieter. Von Kooperationen werden u.a. ein hohes Lernpotenzial, ein gemeinsamer (Wissens-)Vorsprung und Reputationseffekte im Feld erhofft. Aus der Innovationsforschung ist jedoch bekannt, dass sich die positiven Effekte von Kooperation in einem fortgeschrittenen Stadium reduzieren können, da einige Akteure stärker profitieren als andere (Schrape, 2021). Hier kann das skizzierte antagonistische Kooperationsverständnis unterstützend sein, das gegenüber klassischen Ansätzen linear-kausaler Arbeitsteilung die Differenz der Zielvorstellungen und Handlungslogiken der beteiligten Akteure betont. Erst die Explikation dieser Differenzen schafft einen Handlungsraum, in dem die in der Interaktion auftretenden Ambivalenzen und Konflikte für alle produktiv bearbeitet werden können. Im Bereich der gemeinwohlorientierten Weiterbildung übernehmen auch die Träger- und Verbandsorganisationen wichtige intermediäre Funktionen, nicht zuletzt deshalb, da sich die Digitalisierung auf regionale Förderstrukturen von öffentlicher Hand auswirkt (Schöll, 2021). Nach dem Abklingen der Pandemie und der notgedrungenen Digitalisierung ist im gemeinwohlorientierten Weiterbildungsbereich eine verstärkte Auseinandersetzung der Anbieter mit ihrer regionalen Einbettung zu beobachten. Kooperation bildet dabei einen wesentlichen Bestandteil der eigenen regionalen Identität, um im Austausch mit vielfältigen Akteuren potenzielle Teilnehmende zu erreichen und passgenaue Angebote zu unterbreiten. Das hier sichtbare Spannungsfeld zwischen regionaler Einbettung auf der einen Seite und der digitalen Multioptionalität von Weiterbildungsangeboten auf der anderen Seite wird die Akteure noch länger beschäftigen. Ob und in welcher Weise die bestehenden oder auch neue Weiterbildungskooperationen eine Basis dafür bilden, wie mit diesem Spannungsfeld umzugehen ist, bleibt abzuwarten. 

Literatur 

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