Selbstorganisiertes Lernen mit CustomGPTs fördern. Das Beispiel SCIL GenAI Skills Check
Entwicklungen wie die Bewegung «vom Lehren zum Lernen» und notorisch knappe Ressourcen für Weiterbildung haben dazu beigetragen, dass selbstorganisiertes Lernen (SOL) in Unternehmen und Organisationen an Bedeutung gewonnen hat. Generative KI (GenKI) eröffnet neue Möglichkeiten zur Förderung von SOL – insbesondere in Form von CustomGPTs. Der Beitrag zeigt am Beispiel des SCIL GenAI Skills Check auf, wie solche CustomGPTs umfangreiche, vorstrukturierte, personalisierte und zielorientierte Dialoge ermöglichen und Lernende bei der Planung, Durchführung und Reflexion ihrer Lernaktivitäten unterstützen können. Dabei wird deutlich, dass der erfolgreiche Einsatz von generativer KI zur Unterstützung von SOL im Bereich der betrieblichen Weiterbildung an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist.
1 Zunehmende Bedeutung von selbstorganisiertem Lernen in Unternehmen und Organisationen
Selbstorganisiertes Lernen hat in Unternehmen und Organisationen an Bedeutung gewonnen. Zum einen ist das eigenverantwortliche Lernen und dessen Unterstützung im Kontext der Gezeitenbewegung «from teaching to learning» (Barr & Tagg, 1995) seit vielen Jahren ein Thema für Bildungsverantwortliche. Dies gilt für alle Bildungskontexte. Zum anderen sind innerhalb der HR-Development-Community Klagen über eine mangelhafte Ausstattung mit Personal und Ressourcen verbreitet und es gibt empirische Studien, die diese Sicht stützen (z.B. Kwong, Demirbag, Wood & Cooke, 2021). Verantwortliche für Weiterbildung bzw. Personalentwicklung verweisen darauf, dass sie aufgrund der beschränkten Ressourcen gar nicht in der Lage sind, alle Zielgruppen innerhalb des Betriebs mit passgenauen Angeboten zu versorgen (Ikaneng, 2020).
Vor diesem Hintergrund wird in der Praxis vielerorts argumentiert, dass Beschäftigte mehr Eigenverantwortung für ihr lebenslanges Lernen übernehmen müssen und dass Betriebe dazu geeignete Ressourcen zur Verfügung stellen müssen. Vielerorts werden grosse digitale Inhalte-Bibliotheken wie Linkedin Learning (mehr als 20’000 Lerneinheiten) lizensiert (vgl. Spirgi & Tronsberg, 2022, für eine Fallstudie). Wenn solche digitalen Inhalte-Bibliotheken zur Verfügung stehen – so die Erwartung – können die Beschäftigten selbstgesteuert, eigenverantwortlich und zielgenau ihre eigene Weiterbildung und (Kompetenz-)Entwicklung vorantreiben. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass die Veränderung einer Lernkultur und die Bewegung hin zu eigenverantwortlichem Lernen nicht so leicht zu bewerkstelligen ist (Meier, 2023). Das Bereitstellen von technischen Umgebungen wie digitalen Inhalte-Bibliotheken allein führt in der Regel noch nicht zum Erfolg. Denn eigenverantwortliches und selbstreguliertes Lernen ist anspruchsvoll. Eben weil die Lernenden keine Lehrpersonen, Trainer:innen oder Lernbegleiter:innen an ihrer Seite haben, die sie in diesem Prozess begleiten. Längst nicht alle Lernenden sind in der Lage, sich in Lern- und Entwicklungsprozessen eigenständig sinnvolle und realistische Ziele zu setzen, sich selbst zu steuern und zu motivieren oder den eigenen Fortschritt zu beobachten und zu überprüfen (z.B. Koch, 2015).
Dieser Beitrag zeigt auf, dass eigenverantwortliche und selbstorganisierte Lernaktivitäten durch spezifisch konfigurierte digitale Assistenten gefördert werden können. Diese Assistenten können bei verschiedenen Aufgaben im Hinblick auf die Steuerung und Umsetzung von selbstorganisiertem Lernen Unterstützung bieten – von der Standortbestimmung und Zielklärung über die Planung des Vorgehens, die Erarbeitung von Themen und Inhalten bis hin zur Vorbereitung auf die Umsetzung im Arbeitsfeld. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Ansatzes sind das Bereitstellen von CustomGPT-Bibliotheken, das Befähigen der Nutzer:innen sowie die Weiterentwicklung der Rolle von Bildungsverantwortlichen in Richtung Lernbegleitung und Orchestrierung von Lernumgebungen.
2 GenKI zur Unterstützung von selbstorganisiertem Lernen
In der Diskussion um die Nutzung von GenKI1 im Arbeitsfeld Bildung und Personalentwicklung steht das Potenzial für das Vereinfachen und Beschleunigen des Erstellens von Lernmaterialien im Vordergrund (Taylor & Vinauskaite, 2024). Dagegen wird das Nutzenpotenzial für Verbesserungen im Hinblick auf personalisierte und handlungsorientierte Lernumgebungen zu wenig beachtet. Gerade hier können GenKI-Werkzeuge und insbesondere CustomGPTs eine wichtige Rolle übernehmen.
CustomGPTs2 sind KI-Assistenten, welche von Nutzer:innen selbst für spezifische Aufgaben und Anwendungsfälle konfiguriert werden können. Über die jeweiligen Plattformen der Anbieter von grossen Sprachmodellen (LLM, z.B. OpenAI, Google oder Anthropic) lassen sich permanent verfügbare und über spezifische URLs ansprechbare Assistenzumgebungen erstellen, die ausführliche Anweisungen sowie Daten bzw. Dateien beinhalten können.
Die Einsatzmöglichkeiten für CustomGPTs im Kontext von Bildung und Lernen sind vielfältig. Ein grosses Potenzial bieten sie insbesondere im Hinblick auf selbstorganisierte und eigenverantwortlich durchgeführte Lernaktivitäten. Hierbei gilt es, oft ohne Begleitung durch Trainer:innen oder Lernbegleiter:innen, verschiedene Teilaufgaben umzusetzen:
- persönliche Standortbestimmung und Zielklärung vornehmen;
- Lernmedien bearbeiten und sich selbst überprüfen, ob diese ausreichend tief verstanden wurden;
- spezifische Themenfacetten, Konzepte oder Modelle vertiefen;
- neue Aufgaben oder verändertes Verhalten erproben;
- neu Gelerntes festigen;
- neu Gelerntes in den Arbeitsalltag integrieren.
Für alle diese Facetten können spezifische CustomGPTs erstellt werden, die lebenslang Lernende bei diesen Aufgaben unterstützen. In der Tabelle 1 sind mögliche Aufgabenfelder zusammengestellt, in denen CustomGPTs zum Einsatz kommen können.

3 Kompetenzen selbst einschätzen mit dem SCIL GenAI CustomGPT
Die SCIL Academy, ein Teilbereich des Swiss Competence Centre for Innovations in Learning (SCIL) der Universität St. Gallen, bietet Weiterbildungen mit Fokus digitale Transformation für Bildungsverantwortliche in verschiedenen Bildungskontexten an.3 Im Rahmen ihrer Arbeit entwickelt und erprobt die SCIL Academy verschiedene CustomGPTs, die das Blended Learning Design ergänzen, und macht diese öffentlich zugänglich. Um das Potenzial von Anwendungen generativer KI zur Unterstützung von selbstorganisiertem Lernen in Unternehmen aufzuzeigen, wird im Folgenden der SCIL GenAI Skills Check als Beispiel genauer betrachtet.
Der SCIL GenAI Skills Check ist ein KI-Assistent, der Nutzer:innen eine schnelle erste Orientierung zu einem spezifischen Handlungsfeld ermöglichen soll: die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten im Hinblick auf das Arbeiten mit GenKI-Werkzeugen einschätzen (ChatGPT und Co.). Gleichzeitig soll der Check die Nutzer:innen animieren, Ideen für die persönliche Weiterentwicklung in diesem Feld zu formulieren.
Der SCIL GenAI Skills Check ist darauf ausgerichtet, einen ausführlichen und vorstrukturierten Dialog mit den Benutzer:innen zu führen, der verschiedene Schritte umfasst:
- Orientierung zum bevorstehenden Dialog
- Standortbestimmung zu ausgewählten GenKI-Kompetenzen
- Feedback zur Standortbestimmung
- Reflexion des Ergebnisses der Standortbestimmung
- Ideen für einen Entwicklungsplan zu GenKI-Kompetenzen
- Zusammenfassung des Dialogs
Dabei soll der Skills Check die folgenden Facetten im Hinblick auf das Arbeiten mit ChatGPT und Co. behandeln:
- Kenntnis relevanter Nutzungsszenarien für GenKI-Anwendungen
- Erfahrung mit diesen Nutzungsszenarien
- Kenntnis von GenKI-Werkzeugen wie ChatGPT und Co.
- Kenntnis von Prinzipien der (Text-)Produktion bei ChatGPT und Co.
- Kenntnis von Strategien zur Steuerung der Zusammenarbeit mit ChatGPT und Co.
- Kenntnis von Frameworks für Prompting
- Kenntnis von Strategien für Prüfung der Ausgaben von ChatGPT und Co.
Der SCIL GenAI Skills Check wurde als CustomGPT auf der Plattform chatgpt.com angelegt und ist dort verfügbar.4
3.1 Entwicklung und Konfiguration
Der SCIL GenAI Skills Check wurde ursprünglich im Rahmen der SCIL Entwicklungspartnerschaft 2023–2024 (Meier, 2024) zusammen mit sieben Industriepartnern auf der Plattform von OpenAI in verschiedenen Iterationen entwickelt und verbessert.5 Seither wurde er im Rahmen weiterer Veranstaltungen und Workshops von zahlreichen Bildungsverantwortlichen genutzt.
Bei der Entwicklung der Anweisung für den CustomGPT haben wir uns an Elementen gängiger Prompting-Frameworks orientiert (z.B. Falck, 2025). Die Anweisung für den CustomGPT SCIL GenAI Skills Check umfasst knapp sechs Seiten mit detaillierten Ausführungen dazu, wie sich der Assistent verhalten soll. Hier eine Übersicht zu den Kernpunkten dieser Anweisung:
- PERSONA [des Assistenten]: Beurteiler von GenKI-bezogenen Fähigkeiten; konzentriert, auf den Punkt, herausfordernd
- AUFGABE: Dialog mit folgenden Elementen: Orientierung, Beurteilung, Feedback, Reflexion, Entwicklungsplan, Abschluss
- ZIEL: Feststellung des aktuellen Stands der GenKI-Fähigkeiten, Unterstützung bei der Reflexion, Unterstützung beim Formulieren eines Entwicklungsplans
- SCHRITTE: Ein erläuternder Satz pro Schritt
- KONTEXT: Die Nutzer sind Wissensarbeiter:innen in Unternehmen und Organisationen
- HINWEISE: Einzelheiten zum Vorgehen bei jedem Schritt. Auflistung der zu behandelnden Themen (vgl. die Aufzählung unter Kapitel 3, Facetten im Hinblick auf das Arbeiten mit ChatGPT und Co.)
- BEISPIELE: Beispiele für Fragen zur Kompetenzüberprüfung und Feedbackaussagen. Beispiele für mögliche Antworten und deren Bewertung
- AKTION: Zusammenfassung des Kompetenzchecks inklusive Entwicklungsplan
3.2 Dialogführung – Vergleich verschiedener Umgebungen
Der SCIL GenAI Skills Check soll eine erste Standortbestimmung ermöglichen und für die weitere Beschäftigung mit dem Themenfeld motivieren. Entsprechend ist es zentral, dass der Dialog mit dem KI-Assistenten gut gestaltet ist. Im Rahmen der Entwicklung des SCIL GenAI Skills Check wurde geprüft, wie gut der ursprünglich in der Umgebung ChatGPT von OpenAI entwickelte Assistent auch auf anderen Plattformen funktioniert.6 Bei den Tests und Vergleichen der konkreten Ausprägung wurde der Dialoggestaltung grosse Bedeutung beigemessen. Die folgenden Aspekte wurden verglichen:
- Dialogeröffnung
- Fragen und Antworten
- Orientierung an den Vorgaben (Schritte und Themen)
- Übergang vom Skills-Check zur Bewertung der Skills
- Ausprägung der Bewertung
- Entwicklungsplan
- Interaktionsstil
Tabelle 2 bietet eine Übersicht zu den getesteten Umgebungen und ausgewählten Ergebnissen aus den Vergleichen. Eine ausführlichere Darstellung mit Auszügen aus den Gesprächs- bzw. Interaktionsprotokollen findet sich bei Meier und Mann (2024).

Die umfangreiche Anweisung für den Assistenten (vgl. die Hinweise in Abschnitt 3.1) wurden in verschiedenen Umgebungen (OpenAI ChatGPT, Anthropic Claude, Google Gemini) und Sprachen (Englisch, Deutsch) getestet. Dabei zeigte sich, dass sowohl die Sprachwahl als auch die Wahl des Sprachmodells einen deutlichen Einfluss auf die Qualität der Dialoge hatten. Bei den kostenpflichtigen Sprachmodellen zeigten sich klare Unterschiede zwischen den deutsch- und englischsprachigen Dialogen, obwohl in beiden Fällen die gleichen Benutzereingaben in der jeweiligen Sprache verwendet wurden. Zusätzlich konnten Unterschiede in der Qualität der Dialoge zwischen kostenpflichtigen und kostenfreien Modellen beobachtet werden.
Konkret beobachten wir Folgendes:
- Die Rolle des Assessors wurde von den kostenpflichtigen Modellen deutlich besser umgesetzt.
- Es traten eher Fehler bei Dialogen in deutscher Sprache auf. Beispielsweise wurden bereits mit der Fragestellung Hinweise auf mögliche Antworten oder sogar vollständige Antworten mitgegeben.
- Wortwahl und Feedback sind bei Dialogen in deutscher Sprache weniger variantenreich ausgefallen. Die meisten Feedbacks auf die Benutzereingaben folgten einem ähnlichen Muster: «Vielen Dank für (diese ausführliche und präzise) Antwort.»
- Bei ChatGPT-4o waren im Dialogablauf die geringsten Unterschiede zwischen den Sprachen erkennbar.
- Das Feedback war bei Dialogen mit kostenfreien Modellen deutlich kürzer, weniger differenziert und ging kaum auf Aussagen des Dialogpartners ein.
- Generell resultierten sehr ähnliche Bewertungen der gezeigten GenAI-Skills.
- Anthropic Claude wirkte zu kooperativ in der Bewertung. Die kostenfreie Version stufte alle Facetten mit der besten Bewertung ein, und Claude 3.5 Sonnet bot an, die Bewertung der GenAI-Skills nach oben zu korrigieren (dazu unten mehr).
- In kostenfreien Modellen war der Entwicklungsplan weniger kleinteilig und beinhaltete weniger spezifische Handlungsempfehlungen.
3.3 Umgang mit Einwänden
Besonders interessant für uns war die Frage, wie die verschiedenen Modelle mit einem Einwand gegen die Bewertung der gezeigten Skills bzw. Fertigkeiten umgingen. In dem Dialog, der in den verschiedenen Modell- und Sprachversionen mehrfach durchgespielt wurde, wurde die Bewertung der gezeigten Skills bzw. Fertigkeiten durch den Chatbot vorsichtig in Frage gestellt.
Nachfolgend ein Dialogausschnitt in englischer Sprache:
ChatGPT:
«Here’s a summary of your genAI competencies and skills based on our dialogue:
1. Knowledge of use cases: You demonstrated a broad understanding of genAI applications across multiple domains, such as text generation, data analysis, visualization, and video creation.
Highly developed competencies and skills.
2. Experience with use cases: You’ve applied genAI tools in various real-world tasks, including (…)
Would you agree with this assessment? How do you feel about the current state of your genAI skills?»
User:
«I would have expected to be rated ‘highly developed’ on all dimensions. What did I miss in you[r] opinion?»
In der unmittelbaren Nachfolge zu dieser Sequenz zeigten sich folgende Unterschiede:
- OpenAI ChatGPT-4o: greift den Einwand auf, begründet die zuvor formulierte Einschätzung und fragt dann noch einmal nach, ob der Benutzende die Einschätzung teilt oder ob er eine andere Sicht darauf hat.
- Anthropic Claude 3.5 Sonnet: greift den Einwand auf und begründet die zuvor formulierte Einschätzung. Unmittelbar anschliessend revidiert der Assistent seine Einschätzung und passt die Bewertung nach oben an.
- Google Gemini Advanced: Im Dialog kommt eine solche Sequenz nicht vor, da Gemini zuvor vom Benutzenden keinen Kommentar zur Bewertung eingefordert hatte.
Die Tatsache, dass Claude Sonnet 3.5 die eigene Bewertung so schnell revidiert und der Selbsteinschätzung des Benutzenden angleicht, passt ins verbreitete Bild von Chatbots, die in der Tendenz übermässig benutzerorientiert und kooperativ agieren. Dies mag für manche Interaktionskontexte passend sein. Aber wenn es im Kontext von Bildung und Entwicklung beispielsweise darum geht, dass Chatbots als Partner für Standortbestimmungen oder als Tutoren ernst genommen werden, dann müssen sie mehr Festigkeit an den Tag legen.
4 Handlungsfelder für die betriebliche Weiterbildung
Die Formen, in denen selbstorganisiertes Lernen erfolgen kann, sind breit gefächert und reichen vom Lesen von Texten über das Betrachten von Videos, das Bearbeiten von WBT (web based training), das Bearbeiten von kleinen (Sonder-)Aufträgen («stretch assignments») bis hin zu verschiedenen Formen von Peer- und Circle- Learning. Bei allen diesen Formen sind die Beschäftigten bzw. die Lernenden gefordert, sich Gedanken zu ihren Zielen und zum Vorgehen zu machen, die Bearbeitung von Inhalten zu steuern und die Umsetzung im Arbeitsalltag zu bewältigen. Die hierfür erforderliche Unterstützung kann eher technisch-methodischer Natur sein oder eher Aspekte der Motivation und des Durchhaltens betreffen.
Mit KI-Assistenten wie CustomGPTs zeichnet sich die Möglichkeit ab, Lernenden umfangreiche Unterstützung für eigenverantwortliche und selbstorganisierte Lernaktivitäten bereitzustellen. Entwicklung und Erprobung des CustomGPT SCIL GenAI Skills Check zeigen, dass die leistungsfähigsten aktuell im Markt verfügbaren LLMs umfangreiche, vorstrukturierte, zielorientierte und personalisierte Dialoge im Bereich Lernen und Entwicklung ermöglichen. Am Beispiel des CustomGPT SCIL GenAI Skills Check wurde dies konkretisiert. Die mit diesem CustomGPT durchgeführten Dialoge umfassen verschiedene, vordefinierte Gesprächsphasen: Orientierung, Standortbestimmung, Feedback bzw. Einschätzung, Reflexion, Entwicklungsplan, Zusammenfassung.
Allerdings: Für die erfolgreiche Umsetzung von eigenverantwortlichem und selbstorganisiertem Lernen wird diese technische Unterstützung allein nicht immer ausreichend sein. Vielmehr muss die Unterstützung von selbstreguliertem Lernen breiter angegangen werden. Hier braucht es – je nach Situation – Lernbegleiter:innen, Moderator:innen oder Coaches (z.B. eLearning Journal, 2024). Daneben und dazwischen können CustomGPTs eine zusätzliche Unterstützung bieten und zur Entlastung der Lernbegleiter:innen, Moderator:innen oder Coaches beitragen. Tabelle 3 verdeutlicht diese Grundkonzeption.

Ausgehend von dieser Grundkonzeption ergeben sich drei zentrale Handlungsfelder für die betriebliche Weiterbildung und die Personalentwicklung:
Bereitstellen von CustomGPT-Bibliotheken
Damit selbstorganisierte Lernaktivitäten der Beschäftigten in der Breite gefördert und unterstützt werden können, braucht es verschiedene, spezifisch konfigurierte CustomGPTs. Diese bereitzustellen, ist kein Hexenwerk. Mittlerweile finden sich zahlreiche publizierte Anleitungen für das Entwickeln und Erproben von umfangreichen Prompts bzw. CustomGPTs, an denen man sich orientieren bzw. auf denen man aufbauen kann (z.B. Göllner & Stifterverband.de; MIT Sloan Teaching & Learning Technologies; Mollick & Mollick, 2023).
Befähigung der Nutzer:innen
Die Entwicklungsarbeiten für den SCIL GenAI Skills Check sowie für andere CustomGPTs haben gezeigt, dass das Ausschöpfen der Nutzenpotenziale auch von der Kompetenz auf Seiten der jeweiligen Nutzer:innen abhängt. Wichtig ist hier insbesondere die Haltung der Nutzer:innen solchen Chatbots gegenüber. Konkret: Agieren sie eher als «Mitspieler:innen» oder als «Spielleiter:innen»?
Unsere Beobachtungen zeigen, dass insbesondere Personen mit wenig Erfahrung in der Interaktion mit Chatbots und CustomGPTs häufig in der Rolle eines eher vorsichtigen und passiven «Mitspielers» agieren. Etwa, indem sie die Ausgaben des Assistenzsystems zur Kenntnis nehmen und sich damit zufriedengeben. Häufig steuern sie den Dialog nicht aktiv in ihrem Sinne und in der Rolle eines «Spielleiters». Ihnen ist oft nicht bewusst, dass sie einen bereitgestellten CustomGPT als unterstützenden Lernpartner fordern können. Etwa mit Eingaben wie:
- «Eins nach dem anderen, nicht mehrere Fragen auf einmal.»
- «Komm schneller auf den Punkt.»
- «Bitte eine genauere Begründung.»
Weiterentwicklung der Verantwortlichen für Weiterbildung
Im Kontext der bereits angesprochenen Gezeitenwende «vom Lehren zum Lernen» wird seit vielen Jahren darüber gesprochen, dass sich die Rolle von Trainer:innen und Verantwortlichen für Weiterbildung verändern muss. Es braucht eine Abkehr von einer Fokussierung auf Aufgaben im Bereich des Lehrens und Unterrichtens hin zu einer stärkeren Gewichtung von Aufgaben wie Lernbegleitung, Gestaltung und Orchestrierung von digitalen Lernumgebungen sowie der Stärkung von Lernenden in ihrer Fähigkeit, eigene Lernaktivitäten zu steuern und zu reflektieren. Bei allen diesen Aufgaben kann der zielorientierte Einsatz von unterstützenden KI-Assistenten bzw. CustomGPTs eine zusätzliche Ressource für die verantwortlichen Fachpersonen im Bereich Weiterbildung und Personalentwicklung sein.
- Als generative KI werden Systeme bezeichnet, die neue Daten oder Inhalte hervorbringen (Seufert and Handschuh, 2024). Anwendungen generativer KI (GenKI) basieren auf grossen Sprachmodellen und verbreiten sich derzeit schnell im Arbeitsfeld (Kreacic et al., 2024). ChatGPT ist ein bekanntes Beispiel. Diese Systeme werden von verschiedensten Berufsgruppen für vielfältige Aufgaben genutzt (Zao-Sanders, 2024).
- CustomGPT ist die Bezeichnung, die von OpenAI verwendet wird. Bei Google werden diese von Benutzern spezifisch konfigurierten Assistenten als «Gems» bezeichnet, bei Anthropic als «Projects». Wenn wir hier von CustomGPTs sprechen, so meinen wir diese Klasse von Assistenten insgesamt.
- https://ibb.unisg.ch/de/kompetenzzentrum-scil/scil-academy/
- Der Check ist über die folgende URL erreichbar: https://chatgpt.com/g/g-EE65tm1E6-scil-genai-skills-check-03. Uns ist wichtig zu betonen, dass die aktuelle Ausprägung dieses Assistenten noch nicht perfekt ist. Aber das Beispiel zeigt die Möglichkeiten auf, die sich durch diese neue Technologie ergeben.
- Mehr Informationen zu Entwicklung, zur Instruktion und zum Testing finden sich bei Meier & Mann (2024).
- Bei den Tests hat sich sehr schnell gezeigt, dass Microsoft Copilot (copilot.microsoft.com) als Nutzungsumgebung für den GenAI Skills nicht geeignet ist. Microsoft Copilot zeigt innerhalb der Unterhaltung vorgefertigte Antwortvorschläge, die wie Schaltflächen funktionieren. Sobald eine Schaltfläche angeklickt wird, wird diese Antwort gesendet und das Gespräch damit fortgesetzt. Auf diese Weise können die Lernenden in ihrer Antwort beeinflusst werden, was im Kontext unseres Skills-Checks nicht sinnvoll ist.
Verweise
eLearning Journal (2024): Kompetenzentwicklung und Wissenstransfer im Arbeitsalltag – DATEV setzt auf Corporate Learning Coaches. Retrieved from https://www.elearning-journal.com/2024/08/kompetenzentwicklung-und-wissenstransfer-im-arbeitsalltag-datev-setzt-auf-corporate-learning-coaches/
Falck, J. (2025): Prompting verstehen: Wegweiser für Lehrkräfte im Umgang mit LLM-Chatbots. Blogpost. Retrieved from https://joschafalck.de/prompting-verstehen/
Göllner, S., & Stifterverband.de. Offener Prompt-Katalog: Ein Katalog erprobter Prompts aus Anwendungskontexten im Bereich der Hochschullehre. Retrieved from https://coda.io/@ki-campus/prompt-katalog
Ikaneng, K. (2020): How Hilti is redefining the role of L&D in the connected world. Retrieved from https://www.linkedin.com/pulse/how-hilti-redefining-role-ld-connected-world-kara-ikaneng/
Koch, A. (2015): Das 70-20-10-Wunschdenken. In: Wirtschaft + Weiterbildung. (5), 18–25.
Kreacic, A., Uribe, L., Romeo, J., Lasater-Wille, A., Jesuthasan, R., & Luong, S. (2024): How generative AI is transforming business and society: The good, the bad, and everything in between. oliverwymanforum.com. Retrieved from Oliver Wyman Forum website: https://www.oliverwymanforum.com/global-consumer-sentiment/how-will-ai-affect-global-economics/workforce.html
Kwong, C., Demirbag, M., Wood, G., & Cooke, F. L. (2021): Human resource management in the context of high uncertainties. In: The International Journal of Human Resource Management, 32(17), 3569–3599. https://doi.org/10.1080/09585192.2021.1966203
Meier, C. (2023): 5.195 (Digitale) Lernkultur: Standortbestimmung und Veränderungsimpulse. In: S. Laske, A. Orthey & M. J. Schmid (Eds.), PersonalEntwickeln (Losebl.) (pp. 1–24). Hürth: Wolters Kluwer Deutschland.
Meier, C. (2024): Abschluss SCIL Entwicklungspartnerschaft 2023–24. Retrieved from https://www.scil.ch/abschluss-scil-entwicklungspartnerschaft-2023-24/
Meier, C., & Mann, J. M. (2024): Selbstorganisiertes Lernen mit CustomGPTs fördern: Das Beispiel SCIL GenAI Skills Check. St. Gallen. Retrieved from Universität St.Gallen / Institut für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien website: https://www.alexandria.unisg.ch/handle/20.500.14171/121156
MIT Sloan Teaching & Learning Technologies. Custom GPTs at MIT Sloan: A Comprehensive Guide. Retrieved from https://mitsloanedtech.mit.edu/ai/tools/writing/custom-gpts-at-mit-sloan-a-comprehensive-guide/
Mollick, E., & Mollick, L. (2023): Assigning AI: Seven Approaches for Students, with Prompts. June 12, 2023. https://ssrn.com/abstract=4475995. Retrieved from SSRN website: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4475995
Seufert, S., & Handschuh, S. (2024): Generative KI: Mensch-Maschine-Augmentation. In: S. Seufert & S. Handschuh (Eds.), Generative Künstliche Intelligenz: ChatGPT und Co. für Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft (pp. 19–30). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Spirgi, J., & Tronsberg, J. (2022): Using AI-based Linkedin Learning Video Platform for Personalized Learning: The Case at Infineon Technologies. In: D. Ifenthaler & S. Seufert (Eds.), Artificial Intelligence Education in the Context of Work (pp. 227–247). Cham, Switzerland: Springer.
Taylor, D. H., & Vinauskaite, E. (2024): AI in L&D: Intention and reality. L&D GSS Focus Report 03. www.donaldhtaylor.co.uk. Retrieved from Donald H. Taylor Services Limited website: https://donaldhtaylor.co.uk/research_base/focus03-intention-and-reality
Zao-Sanders, M. (2024): How people are really using GenAI. In: Harvard Business Review. (March). Retrieved from https://hbr.org/2024/03/how-people-are-really-using-genai
Den Artikel als PDF lesen
