22.05.2025
N°1 2025

«Einfach besser! ... am Arbeitsplatz»: Wie Betriebe Mitarbeitende mit geringen Grundkompetenzen erfolgreich fördern

Mit «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» unterstützen Bund und Kantone praxisnahe Kurse für Grundkompetenzen für geringqualifizierte Mitarbeitende direkt in Betrieben – Lesen, Schreiben, Rechnen, Computer und Sprache. Davon profitieren die Betriebe ebenso wie die betroffenen Erwachsenen. Dieser Beitrag zeigt, wie das Förderprogramm funktioniert und beleuchtet Erfolge und Erfahrungen aus der Praxis. Er fasst zusammen, was bisher erreicht wurde und wie Betriebe und Branchenorganisationen zu der weiteren Förderung der Grundkompetenzen am Arbeitsplatz beitragen können. Konkrete Beispiele zeigen, wie ein Kurs für Grundkompetenzen motivierte Personen über mehrere Stufen bis zu einem Berufsabschluss für Erwachsene heranführen können.

Eine Arbeitsanweisung von einem Tablet-Computer herunterladen, mündliche Aufträge verstehen, digitale Rapporte ausfüllen, eine E-Mail schreiben: Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben, Rechnen, einfachen Computeranwendungen und Kenntnisse der lokalen Landessprache sind für die alltäglichen Aufgaben praktisch an jedem Arbeitsplatz unerlässlich. Besonders geringqualifizierte Personen und Erwachsene ohne Berufsabschluss stossen dabei häufig an ihre Grenzen.

Die Schweiz nahm 2022/2023 erstmals an der internationalen PIAAC-Studie zu den Grundkompetenzen von Erwachsenen teil (BFS, 2024). Das Ergebnis belegt: Auch in der Schweiz verfügen viele Erwachsene nur über geringe Grundkompetenzen. Rund 22 Prozent respektive 1,25 Mio. Personen im erwerbsfähigen Alter haben Mühe, einen einfachen Text zu verstehen. Einfache Rechenaufgaben bereiten 19 Prozent respektive 1,06 Mio. Personen Schwierigkeiten.

Grundlegende Fähigkeiten in den Grundkompetenzen sind aber auch die Voraussetzungen für das lebenslange Lernen. Das heisst: Mitarbeitende können sich erst weiterbilden, wenn sie die nötigen Grundkompetenzen mitbringen. Hier setzt das Förderprogramm «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» an. Viele Erwachsene mit geringen Grundkompetenzen sind erwerbstätig.1 Betriebe sind der ideale Türöffner zu der Zielgruppe, die für die Weiterbildungen eher schwer zu erreichen ist.

Auch für die Unternehmen lohnt es sich, in die Grundkompetenzen zu investieren. Wenn Arbeitsanweisungen nicht korrekt verstanden oder ausgeführt werden, entstehen Qualitätseinbussen, Risiken für die Arbeitssicherheit oder es kommt sogar zu Betriebsausfällen. Teamleitende verbringen Zeit mit Übersetzen von Arbeitsaufträgen, sie helfen bei Zeitprotokollen oder Bestellungen am Computer. Mit den nötigen Grundkompetenzen werden die Mitarbeitenden selbstständiger. Zudem fehlt es vielen Betrieben an Fachkräften. Mit der Förderung der Grundkompetenzen können sie ihre eigenen Mitarbeitenden auf eine Aus- oder Weiterbildung vorbereiten und ihre berufliche Entwicklung fördern. Dies ist besonders für Betriebe interessant, die bereits aktiv in die Nachholbildung von Mitarbeitenden ohne Berufsabschluss investieren (Märki, 2017).

Grundkompetenzen praxisnah fördern

Bund und Kantone unterstützen mit «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» Unternehmen oder Branchenverbände, die Grundkompetenzen ihrer Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zu stärken. Die Initiative wurde 2018 vom Bundesrat als Massnahme der Fachkräfteinitiative beschlossen. Das Schweizerische Bundesgesetz über Weiterbildung (WeBiG)2 legt fest, dass sich «der Bund gemeinsam mit den Kantonen dafür einsetzt, Erwachsenen den Erwerb und den Erhalt von Grundkompetenzen zu ermöglichen. Bund und Kantone beziehen dabei die Organisationen der Arbeitswelt mit ein» (Art. 14 WeBiG). Die Basis für die finanzielle Förderstruktur ist das Berufsbildungsgesetz.3

Das Ziel von «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz»: Die Mitarbeitenden lernen in kurzen, niederschwelligen Lernangeboten genau das, was sie in konkreten Arbeitssituationen brauchen. Weil die Inhalte praxisnah sind, können die Teilnehmenden das Gelernte direkt im Betrieb anwenden. Das gibt Selbstvertrauen und motiviert – es kann der erste Schritt zu einer Veränderung der Position und Aufgaben im Betrieb sein oder zu weiteren Bildungsmöglichkeiten anregen. Die besseren Grundkompetenzen helfen auch, alltägliche Aufgaben in persönlichen Lebenssituationen besser zu bewältigen.

Bildungsanbieter unterstützen die Unternehmen in allen Schritten der Kursentwicklung – von der Analyse des Lernbedarfs über die Planung der Kursinhalte bis zur Kursdurchführung und dem Transfer des Gelernten in die tägliche Praxis (siehe Kapitel zur GO-Methode). Die Betriebe bestimmen die Inhalte mit, die Kurse können zeitlich flexibel direkt vor Ort und nach den Bedürfnissen der Betriebe organisiert werden.

Sobald das Kurskonzept und die Teilnehmenden feststehen, kann das Gesuch für die finanzielle Unterstützung gestellt werden. Die Subvention wird nach Kursabschluss an den Betrieb (Gesuchsteller) ausbezahlt.

Die wichtigsten Kriterien im nationalen Förderprogramm sind:4

  • Die Kursinhalte betreffen die Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen, Computer oder Sprache.
  • Der Kurs ist für die Teilnehmenden kostenlos und gilt als Arbeitszeit.
  • Er kann zwischen 20 und 40 Lektionen dauern, aber nicht mehr als 4 Lektionen pro Tag.
  • Kurse sind ab 3 Teilnehmenden möglich, maximal 12 Teilnehmende pro Kurs.
  • Die Subventionen betragen 3000 Franken pauschal für die Entwicklung eines neuen Kurses und 15 Franken pro Lektion und Kursteilnehmende. Der Kurs muss zu mindestens 80% absolviert werden.

Subventioniert heisst nicht kostenlos. Die Unternehmen schliessen mit dem Anbieter einen Vertrag ab. Je nach Umfang der Bildungsmassnahme ist der Anteil der Finanzierung unterschiedlich hoch. Zudem bedingt die Entwicklung eines praxisnahen Kurses einiges an Koordinationsaufwand und Unterstützung von Vorgesetzten und Teamleitenden. Die Betriebe finanzieren die Arbeitszeit der Teilnehmenden. Auch die Transferaufgaben aus dem Kurs in den Betriebsalltag gehören zu den Eigenleistungen der Betriebe.

Die Web-Plattform «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» (einfach-besser.ch/betriebe) ist die Kommunikationsdrehscheibe des Programms. Hier finden Betriebe die Informationen, wie sie einen massgeschneiderten Kurs planen, einen Anbieter finden und finanzielle Unterstützung beim Bund oder Kantonen beantragen können. In den «Stories» erzählen Kursteilnehmende, Teamleitende oder das Management in den Videos und Erfahrungsberichten direkt aus den Betrieben, wie sich die Kurse für Grundkompetenzen auf der individuellen Ebene und auf der Unternehmensebene auswirken.5 Sie sprechen die Sprache der Betriebe – damit können potenzielle Kursteilnehmende und Unternehmen in ähnlichen Situationen inspiriert und motiviert werden, um einen eigenen Kurs zu organisieren. Auf der Plattform finden Betriebe zudem eine Liste von Anbietern, die sie nach Region filtern und direkt kontaktieren können. Die Betriebe sind jedoch frei in der Wahl der Anbieter – auch betriebsinterne Kursleitungen sind möglich.

GO-Methode für individuelles Lernen am Arbeitsplatz

Das Herzstück des Förderprogramms «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» ist die GO-Methode für das Lernen am Arbeitsplatz. Der SVEB Schweizerischer Verband für Weiterbildung hat dieses praxisnahe Vorgehen gemeinsam mit Betrieben aus verschiedenen Branchen und Grössen entwickelt.6 Es führt in fünf konkreten Schritten von der Analyse der Anforderungen am Arbeitsplatz über die individuelle Analyse des Lernbedarfs einer Person zu praxisnahen Kursinhalten, die sofort im Alltag umgesetzt werden können. Kursanbieter unterstützen die Betriebe in der Umsetzung des Modells, die Betriebe bestimmen die Inhalte mit.

Zunächst erfassen Kursanbieter in engem Austausch mit den Betrieben die Anforderungen der Arbeitsplätze: Welche Grundkompetenzen – Lesen, Schreiben, Computeranwendungen, Rechnen, Sprache – sind für eine Arbeitssituation nötig (Anforderungsanalyse)? Als Nächstes ermitteln die Anbieter im Austausch mit den Teamleitenden den Lernbedarf der Mitarbeitenden dafür (Bedarfserhebung). Was ist für die jeweilige Person am Arbeitsplatz schwierig, welche Grundkompetenzen sind davon betroffen? Aus diesen Analysen werden Kursinhalte entwickelt, die sich konkret auf die Arbeitsplätze und den Bedarf der Unternehmen beziehen und auf die einzelnen Teilnehmenden individualisiert sind (Bildungsmassnahme).

Das Konzept ist so gestaltet, dass die Teilnehmenden das Gelernte direkt im Alltag einsetzen können (Transfer). Idealerweise wird dafür ein Transferverantwortlicher im Betrieb bestimmt. Die Teamleitenden erkennen die Lernfortschritte im Arbeitsalltag oft schon nach kurzer Zeit (Evaluation). Sie können bei Bedarf mit der Kursleitung die Aufgaben und Inhalte während dem Kurs weiter präzisieren und anpassen. Anpassungsvorschläge kommen teilweise auch von den Lernenden selbst, indem sie Lernjournale führen und Schwierigkeiten aus dem Arbeitsalltag wieder in den Kurs zurückbringen.

Kurse für Grundkompetenzen am Arbeitsplatz unterscheiden sich in vieler Hinsicht von gängigen Sprach- oder Computerkursen. Statt standardisierten Lehrmitteln werden betriebsinterne Arbeitsanweisungen, Sicherheitsbestimmungen oder firmenspezifische Apps und Prozesse als Lernmaterialien genutzt. Weil die Kursinhalte von konkreten Tätigkeiten und Situationen ausgehen, wird der Unterricht kompetenzübergreifend gestaltet. So wird beispielsweise für eine Lerneinheit für das Ausfüllen eines Arbeitsrapports Sprache (Wortschatz, Lesen, Schreiben) mit der Anwendung der Kommunikationstechnologien kombiniert (eine Anweisung von einem Tablet herunterladen, einen Rapport in einer Smartphone-App ausfüllen).

Blick in die Praxis

Seit dem Programmstart Anfang 2018 haben rund 4450 Mitarbeitende aus 315 Betrieben einen Kurs für Grundkompetenzen mit mindestens 80%-Teilnahme abgeschlossen. 1841 der Teilnehmenden hatten keinen Abschluss auf Sekundarstufe II. Die meisten Gesuche kamen aus Unternehmen der Industrie, dem Gastgewerbe, sonstigen Dienstleistungen und dem Gesundheitswesen (siehe Abbildung 2; Quelle: SBFI, Stand 18. Februar 2025).

Am häufigsten steht die verbesserte Kommunikation (Sprache, Lesen, Schreiben) im Zentrum der Kurse, gefolgt von einfachen Computeranwendungen und Informationstechnologien (siehe Abbildung 3). Die Sprachförderung wird zunehmend mit der Anwendung von Kommunikationstechnologien kombiniert: digitale Rapporte ausfüllen, E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten schreiben, Arbeitsanleitungen von Tablet aufrufen und verstehen können. Kurse für Alltagsmathematik werden noch kaum umgesetzt. Dies, obwohl gemäss der PIAAC-Studie auch hier ein grosser Förderbedarf besteht.

Die Kurse für Grundkompetenzen eignen sich für alle Branchen und Betriebsgrössen. Hier stellen wir vier charakteristische Beispiele aus der Industrie, Pflege und Gastronomie vor.7

Perlen Packaging AG

In dem Luzerner KMU am Standort Perlen arbeiten 200 Mitarbeitende aus rund 26 Nationen. Perlen Packaging ist international tätig und auf die Herstellung von Verpackungsfolien für Medikamente spezialisiert.

Dem Fachkräftemangel begegnet das Unternehmen mit der Qualifizierung der Mitarbeitenden. Motivierte Personen werden angestellt, auch wenn sie noch keinen passenden Berufsabschluss haben. Bedingung: Sie müssen bereit sein, die zweijährige Ausbildung zum Berufsabschluss für Erwachsene zu machen – insbesondere für das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis als Anlagenführer EFZ. Ist der Berufsabschluss geschafft, erhalten die Mitarbeitenden eine Festanstellung – und dazu eine gute Perspektive, wenn sie den Arbeitsplatz später wechseln sollten. Auch langjährige Mitarbeitende können den Berufsabschluss bei Perlen Packaging nachholen.

Wenn es mit der Sprache hapert, starten die Mitarbeitenden mit dem firmeninternen Deutschkurs im Rahmen von «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz». Die Initiative für diese Sprachförderung während der Arbeitszeit kam vom Standortleiter Sebastian Schürmann. Anfänglich zweifelte die Personalleitung an der Lernbereitschaft der Mitarbeitenden. Doch Schürmann konnte in kurzer Zeit mehr Personen als geplant für die Teilnahme an einem Deutschkurs gewinnen. Zuerst testete Perlen Packaging herkömmliche Sprachkurse in der Region. Dann wurde das Unternehmen durch einen Kursanbieter auf die Möglichkeit der subventionierten Firmenkurse für Grundkompetenzen direkt vor Ort aufmerksam. Das war die passende Lösung: Die Kurszeiten richten sich nach dem Schichtbetrieb, es geht keine Wegzeit verloren und die Inhalte beziehen sich konkret auf den Bedarf des Industriebetriebs.

Seit dem Herbst 2021 haben 42 Mitarbeitende bei Perlen Packaging den firmeninternen Deutschkurs besucht. Für neun Personen war dieser Kurs der erste Schritt zur Vorbereitung auf die Ausbildung zum Berufsabschluss für Erwachsene. Insgesamt haben seit dem Sommer 2022 vier Personen den Berufsabschluss bereits erreicht, zwölf sind aktuell in der Ausbildung dazu oder starten im Sommer 2025 (Stand März 2025).

Ceramaret SA

In einem anspruchsvollen und stark reglementierten Umfeld wie dem von Ceramaret, einem auf technische Hochpräzisionskeramik spezialisierten Unternehmen im Kanton Neuenburg, ist es eine strategische und menschliche Entscheidung, in die sprachlichen Grundkenntnisse seines Personals zu investieren. Mit Unterstützung des Programms «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» hat das Unternehmen direkt vor Ort Französischkurse eingerichtet, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten sind. Technische Kriterien besser verstehen, einen Plan lesen können, Sicherheitshinweise nachvollziehen und anwenden können, technische Anmerkungen mündlich oder per E-Mail äussern können, besser verstehen, was in Arbeitssitzungen gesagt wird: Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergeben sich zahlreiche konkrete praktische Vorteile. Team- und Personalverantwortliche beobachten einen Vertrauensgewinn, eine höhere Motivation, engagiertere Beschäftigte, die sich an den Anforderungen des Unternehmens orientieren. Damit übernimmt Ceramaret soziale Verantwortung und zeigt, dass Investitionen in Grundkompetenzen auch zur Integration und Entwicklung von Menschen beitragen, indem sie ihre Beschäftigungsfähigkeit fördern.

XUND – Organisation für Gesundheitsberufe in der Zentralschweiz

XUND steht sowohl für die Organisation der Arbeitswelt (OdA) als auch für das Bildungszentrum Gesundheitsberufe in der Zentralschweiz. Die Mission von XUND ist die bedarfsgerechte Aus- und Weiterbildung von genügend und qualifizierten Gesundheitsfachkräften.

Für Gesundheitsberufe gibt es im Rahmen der Bildungsoffensive viele Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Es fehlte aber an niederschwelligen Lernangeboten für Mitarbeitende mit geringen Grundkompetenzen in Heimen und in Spitälern. So konnten bisher viele Personen in der Reinigung, Hauswirtschaft, Küche, Transport oder Pflege nicht erreicht werden, auch wenn sie für eine Weiterbildung motiviert sind. Oft reichen auch die Sprachkenntnisse noch nicht dafür.

XUND entwickelte deshalb im Rahmen von «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» einen speziellen Kurs für Grundkompetenzen und testete diesen gemeinsam mit dem Alterszentrum Viva Luzern Wesemlin. Der Umgang mit Tablets, Mobiles und Computern gehört heute zu der Grundanforderung in allen Bereichen. Der XUND-Kurs verbindet deshalb Alltagsskills in Kommunikation mit der Anwendung von Informationstechnologie – E-Mails schreiben, telefonieren, rapportieren, Bestellungen am Computer erledigen. Auch die Übungen zur Kommunikation in schwierigen Situationen gehören zum Kurs. Am Kursende gibt es eine Beratung für Weiterbildungsmöglichkeiten.

In der Doppelrolle als Branchenverband und Bildungszentrum kann XUND den Kurs nun allen Pflegeeinrichtungen in der Zentralschweiz anbieten. Das Grobkonzept ist vorgegeben, die Kursinhalte werden nach der GO-Methode an die Institution und Personen angepasst. Die Kursleitenden gehen vor Ort, lernen Teilnehmende und Teamleitende kennen und sammeln Arbeitsmaterialien. Für kleine Betriebe sind Sammelkurse möglich. XUND stellt für die Betriebe zudem die Gesuche für die Fördermittel.

Ristorante Pizzeria da Pippo

Dass auch Kleinstunternehmen Kurse für ihre Mitarbeitenden organisieren können, zeigt die Pizzeria da Pippo im Kanton Nidwalden – Kurse werden schon ab drei Personen gefördert. Auf eine Stellenausschreibung meldeten sich viele, die im Ristorante Pizzeria da Pippo in Ennetmoos (NW) arbeiten wollten – aber sie sprachen kaum Deutsch. Die Geschäftsführerin Cindy Forestiero entschied sich deshalb für einen neuen Weg. Sie wählte die Personen aus, in denen sie das grösste Potenzial sah, auch wenn sie die Sprache noch nicht beherrschten. Voraussetzung: Sie müssen Deutsch lernen wollen. Doch welche Kurse helfen wirklich, und wie lässt sich das zeitlich organisieren? Eine der angefragten Kursanbieterinnen machte sie auf die Möglichkeit eines subventionierten Kurses im Rahmen des Programms «Einfach besser! … am Arbeitsplatz» aufmerksam. Das war die passende Lösung für den kleinen Betrieb. Ziel war es, dass das Personal einfache Gespräche mit den Gästen führen und telefonieren kann. Alle fünf Mitarbeitenden aus Service und Küche nahmen am Kurs teil. Für Forestiero war es ein grosser Vorteil, dass der Kurs direkt im Restaurant stattfand. So ging keine Zeit für die Anreise verloren, und das Personal konnte gemeinsam in der vertrauten Umgebung lernen. Der Unterricht dauerte insgesamt 40 Stunden und fand wöchentlich einmal von 8 bis 10 Uhr statt. Das Restaurant öffnet um 11 Uhr. Damit liess sich die Weiterbildung gut in den Arbeitsablauf integrieren.

Herausfordernd waren die unterschiedlichen Vorkenntnisse. Eine Servicemitarbeiterin sprach praktisch noch gar kein Deutsch. Andere hatten bereits Grundkenntnise im Verstehen. Darauf konnte die erfahrene Kursleiterin jedoch gut eingehen und das Personal war sehr motiviert für diesen Kurs. Einige wiederholten die Dinge während der Arbeit oder lernten am Abend weiter. Melania de Marco traute sich schon bald zu, direkt mit den Gästen zu sprechen oder telefonische Bestellungen entgegenzunehmen. Sie lernt nun selbstständig weiter und bringt auch mal Aufgaben mit an den Arbeitsplatz. Wenn es Zeit gibt, übt Cindy Forestiero mit ihr weiter. «Wir versuchen jetzt, im Betrieb auch untereinander möglichst viel Deutsch zu sprechen», sagt Forestiero und ergänzt: «Ich kann den Kurs nur weiterempfehlen. Er ist super, einfach, unkompliziert.»

Grundkompetenzen als Türöffner zum Berufsabschluss

In den Kursen im Rahmen von «Einfach besser! … am Arbeitsplatz» verbessern die Mitarbeitenden ihre Sprach- oder Computerkenntnisse. Was aber genauso zählt: In den persönlich gestalteten Kursen im vertrauten Umfeld entdecken viele Erwachsene erst ihre Lernfähigkeit. Sie können verinnerlichte Lernbarrieren überwinden – sei es aus negativen Schulerfahrungen oder weil sie sich schon «zu alt» fühlten für die Schulbank. Hier liegt eine grosse Verantwortung der Kursleitenden für Grundkompetenzen: Wenn Erwachsene in diesem Setting ein positives Lernerlebnis haben, werden sie sich in der Zukunft eher für eine Ausbildung zum Berufsabschluss für Erwachsene entscheiden und für das lebenslange Lernen motiviert sein. Die Kurse können somit als Türöffner fungieren und das Selbstvertrauen stärken – manche Kursteilnehmenden können ihre Position im Betrieb verändern und mehr Verantwortung übernehmen.

Um ausgehend von den Grundkompetenzkursen jedoch einen nachhaltigen Effekt für die Bildungs- und Berufsbiographie zu erzielen, ist es zentral, den Teilnehmenden nach dem Kurs individuelle Anschlussmöglichkeiten und Perspektiven für die weitere berufliche Entwicklung aufzuzeigen (siehe Abbildung 4). Einigen Kursteilnehmenden gelingt schrittweise die Ausbildung bis zum Berufsabschluss mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) nach Artikel 32 im Berufsbildungsgesetz. Immer mehr Branchenorganisationen bieten auch Branchenzertifikate als Teilqualifikation und vorbereitende Kurse für einen Berufsabschluss an.

Ein gutes Beispiel ist das Angebot für niederschwellige Förder- und Vorbereitungskurse bis zum Berufsabschluss am Berufsbildungszentrum Olten im Kanton Solothurn, z.B. für das EFZ als Anlagenführer/in (siehe Praxisbeispiel Perlen Packaging AG). Die Berufsfachschule bietet einen eigenen Kurs für Grundkompetenzen an, mit dem bei Bedarf die Kenntnisse in Lesen, Schreiben, Alltagsmathematik und Computeranwendungen anschliessend an den firmeninternen Kurs für Grundkompetenzen am Arbeitsplatz weiter vertieft werden können. Danach ist es möglich, den Allgemeinbildenden Unterricht (ABU) vorzuziehen, damit nicht zu viel «Schulisches» gleichzeitig mit der Berufsbildung zu bewältigen ist.8 So verlängert sich zwar die Ausbildung, aber die Hürden auf dem Weg dahin sind reduziert.

Fazit: Gute Erfolge, wenig bekannt

Die Kurse für Grundkompetenzen am Arbeitsplatz und die GO-Methode haben sich seit dem Start des Förderprogramms 2018 vielfältig bewährt. Die Anzahl der Gesuche für die finanzielle Unterstützung durch das Förderprogramm steigt kontinuierlich, aber langsam. Das grösste Defizit: Das Programm und der Nutzen der Grundkompetenzen sind in den Betrieben noch kaum bekannt. Das Potenzial wird viel zu wenig genutzt.

Geringqualifizierte Mitarbeitende werden in Betrieben als wenig motiviert wahrgenommen und in der Weiterbildungsstrategie nicht «mitgedacht», während besser qualifizierte Fachkräfte viel eher gefördert werden (Gollob et al., 2024). Die Erfahrungsberichte aus den Kursen am Arbeitsplatz zeigen aber: Wenn geringqualifzierte Mitarbeitende mit sinnvollen und für sie angepassten Kursangeboten angesprochen werden, ist der Zulauf viel grösser als erwartet. Die Mitarbeitenden spüren, dass für sie etwas gemacht wird. Diese Wertschätzung gibt eine enorme Motivation und schafft somit einen Mehrwert für den Betrieb.

Oft erkennen die Teamleitenden in ihrem Arbeitsalltag die Lücken in den Grundkompetenzen, aber sie kennen die Lösung nicht. Sie suchen im Internet nach einem Deutschkurs für Firmen, Deutsch für Fremdsprachige oder einem Computerkurs. Häufig werden sie erst durch einen privaten Kursanbieter auf die Möglichkeit der massgeschneiderten Kurse und die finanzielle Unterstützung aufmerksam.

Insbesondere die kleinen Unternehmen werden noch zu wenig erreicht. Dies lässt sich damit erklären, dass gerade für kleine Betriebe Zeit und Geld ein grundsätzliches Problem für betriebliche Weiterbildungen darstellt, obwohl es sich auch für sie lohnt, in ihre Arbeitskräfte zu investieren (Gollob et al., 2024). Eine gute Möglichkeit sind Sammelkurse für kleine Betriebe, die Organisationen der Arbeit und Branchenverbände ihren Mitgliedern anbieten können (siehe Bsp. XUND). Dies wird noch kaum genutzt.

Es braucht mehr Multiplikatoren mit guten betrieblichen Netzwerken, die die Betriebe informieren und beraten und die Vorteile der Förderung der Grundkompetenzen und für die Branche an konkreten Beispielen aufzeigen. Bund und Kantone spielen eine wichtige Rolle. Aber auch Branchenverbände und Organisationen der Arbeit sind stärker gefragt. Handelskammern, Gewerbeverbände oder Industrie- und Handelsvereine können ihre Mitglied-Betriebe motivieren, die Grundkompetenzen zu fördern. Sie sprechen die Sprache der Unternehmen. Das ist wirkungsvoller und glaubwürdiger, als wenn private Anbieter einzelne Betriebe individuell vom Vorteil der Kurse für Grundkompetenzen überzeugen müssen.

Das Ziel ist, die Wirtschaft und Bildungsanbieter näher zusammenzubringen, um gemeinsam die Potenziale für die Qualifizierung von Arbeitskräften zu nutzen und den Mitarbeitenden gute Perspektiven für berufliche Entwicklung und eine langfristige Beschäftigungsfähigkeit zu bieten. Die Grundkompetenzen sind die Basis dafür.

  1. Von den Erwerbstätigen haben gemäss den PIAAC-Daten 17,8 Prozent geringe Lesekompetenzen und 10,7 Prozent geringe Kompetenzen in allen drei gemessenen Kompetenzbereichen (BFS, 2024).
  2. Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG), online verfügbar unter: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/132/de
  3. Berufsbildungsgesetz (BBG), online verfügbar unter: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2003/674/de
  4. Die Kantone Bern und Basel-Stadt haben zusätzlich zum nationalen Programm eigene Förderstrukturen mit leicht angepassten Kriterien. Das Gesuch kann hier direkt beim Kanton gestellt werden.
  5. Siehe «Stories» unter einfach-besser.ch/betriebe-stories
  6. GO-Toolkit, online verfügbar unter: https://www.stories-arbeitsplatz.einfach-besser.ch/best-practice/go-modell-grundkompetenzen-foerdern-am-arbeitsplatz/
  7. Zahlreiche weitere Erfahrungsberichte finden Sie unter www.einfach-besser.ch/stories
  8. Für weitere Informationen siehe https://bbzolten.so.ch/ebz/bildungsangebot/berufsabschluss-fuer-erwachsene/vorbereitungskurs-grundkompetenzen/

Bibliographie

BFS (2024): Lese-, Alltagsmathematik- und Problemlösekompetenzen von Erwachsenen in der Schweiz. Erste Resultate der PIAAC-Erhebung; online verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.assetdetail.33346107.html

«Einfach besser! ... am Arbeitsplatz»: Plattform zur Förderung der Grundkompetenzen am Arbeitsplatz; online verfügbar unter: https://www.einfach-besser.ch/betriebe/

GO-Toolkit: Arbeitsplatzorientierte Förderung der Grundkompetenzen (Band 1: Leitfäden; Band 2: Deskriptoren); online verfügbar unter: https://www.stories-arbeitsplatz.einfach-besser.ch/best-practice/go-modell-grundkompetenzen-foerdern-am-arbeitsplatz/

Märki, Cäcilia (2017): Betriebe als Chancengeber. Eine qualitative Studie über die Förderung der Nachholbildung in Betrieben (Kurzfassung). Zürich: SVEB; online verfügbar unter: https://alice.ch/de/project/chancengeber/

Müller, Marianne; Gollob, Sofie und Hedinger, Franziska (2024): Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung in KMU. Zürich: SVEB; online verfügbar unter: https://alice.ch/de/forschung/forschungsaktivitaeten-des-sveb/kmu-studie/

SVEB Schweizerischer Verband für Weiterbildung (Hrsg.) (2015): GO – Grundkompetenzen direkt am Arbeitsplatz fördern. Nationales Projekt zur Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen 2009–2015; online verfügbar unter: https://alice.ch/de/dienstleistungen/publikationen-und-produkte/publikationen/