22.05.2025
N°1 2025

Herausforderungen bei der Weiterbildung von Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern in Lehrbetrieben

Die Weiterbildung von Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern in Lehrbetrieben (BB) richtet sich speziell an Personen, die neben ihrem eigentlichen Beruf noch eine pädagogische Funktion ausüben. Während der Zugang zu beruflicher Weiterbildung selbstverständlich zu sein scheint, ist dies bei pädagogischen Weiterbildungen nicht der Fall. Anhand der Weiterbildung von BB werden in diesem Artikel die Bedingungen für ihre Tätigkeit erläutert und die Herausforderung, im Produktionsumfeld des Unternehmens auszubilden und sich weiterzubilden. Die Ergebnisse belegen ihren Bedarf und ihre Erwartungen im Hinblick auf Weiterbildung, die unterschiedlichen Herausforderungen je nach Funktion (BB oder Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin) und lassen verschiedene BB-Profile erkennen.

Die Berufsbildung und insbesondere das duale Berufsbildungssystem, bei dem sich der Unterricht in der Berufsfachschule mit der Ausbildung im Betrieb und in überbetrieblichen Kursen abwechselt, ist in der Schweiz der am häufigsten eingeschlagene Bildungsweg nach der obligatorischen Schule (SBFI, 2024). Trotz seiner Bedeutung befassen sich nur wenige Studien mit dem Unternehmen und konzentrieren sich vor allem auf die wirtschaftlichen (Schweri et al., 2021) oder didaktischen (Filliettaz, 2011) Herausforderungen der Ausbildung am Arbeitsplatz, während die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner in Lehrbetrieben (BB) ausser Acht gelassen werden. Und doch ist ihre Rolle bei der Vermittlung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten sowie bei der Begleitung der Lernenden beim Übergang von der Schule in den Beruf, bei der beruflichen Eingliederung und der Integration in ein Team oder eine «Community of Practice» und nicht zuletzt beim Übergang ins Erwachsenenalter von zentraler Bedeutung (Lamamra et al., 2019; Bahl, 2019; Besozzi, 2024). Das Besondere an den BB ist ihre Doppelfunktion: Neben dem Kernberuf, dem sie im Alltag nachgehen, haben sie eine Ausbildungsfunktion inne, die unter unterschiedlichen Bedingungen ausgeübt wird. Dadurch sind sie stärker als jeder anderer Akteur im dualen Berufsbildungssystem mit dem Spannungsfeld zwischen Produzieren und Ausbilden konfrontiert (Moreau, 2003), wobei die Ausbildungskomponente häufig in den Hintergrund gedrängt wird (Lamamra & Duc, 2021). In der Praxis sehen die beruflichen Bedingungen nur selten (24%) eine Entlastung für die Betreuung der Lernenden vor (Wenger & Lamamra, 2023).

In diesem Kontext ergeben sich spezifische Herausforderungen in Bezug auf Weiterbildung. Aufgrund ihrer Doppelfunktion haben sie auch einen zweifachen Weiterbildungsbedarf: einerseits für ihren eigentlichen Beruf (Weiterentwicklung im Bereich der Techniken, Technologien, Produktionsprozesse, Werkzeuge, einschliesslich digitaler Werkzeuge) und andererseits für ihre ausbildende Tätigkeit (Pädagogik, Didaktik, soziale und sonstige Themen in Zusammenhang mit der Arbeit mit Jugendlichen). Ausserdem kann die Weiterbildung nicht losgelöst von den Bedingungen der Berufsausübung betrachtet werden. Aufgrund des geringen Anteils ihrer ausbildenden Funktion ist ihre Bereitschaft zur Weiterbildung zu hinterfragen. Schliesslich macht die Weiterbildung der BB die permanente Herausforderung deutlich, im Produktionskontext des Unternehmens auszubilden (und sich weiterzubilden).

Die Bedürfnisse und Herausforderungen der BB kennenlernen

Dieser Artikel beleuchtet den Weiterbildungsbedarf von BB und ihre spezifischen Herausforderungen auf der Grundlage eines Forschungsauftrags1. Anhand verschiedener Indikatoren wird zunächst die Weiterbildungsbereitschaft der BB aufgezeigt, dann werden die Unterschiede zwischen den Antworten von BB und jenen der Arbeitgeberseite herausgearbeitet, um die jeweiligen Herausforderungen zu verdeutlichen. Aufgrund der ausgewählten Weiterbildungsthemen lassen sich verschiedene Profile von BB ausmachen, die mit ihrer Funktion oder der Weiterbildung in Zusammenhang stehen. In der abschliessenden Besprechung wird auf die spezifischen Herausforderungen für BB und die Überlegungen bei der Umsetzung von entsprechenden Weiterbildungsangeboten eingegangen.

Die hier präsentierten Daten knüpfen an den ersten Teil an, der in der Deutschschweiz durchgeführt und mit Daten aus der französisch- und italienischsprachigen Schweiz ergänzt wurde. In Interviews mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren der Berufsbildung wurden deren Weiterbildungsbedürfnisse ermittelt und zentrale Themenbereiche herausgearbeitet (Lamamra & Wenger, 2022). Auf dieser Grundlage wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Berufsverbänden eine Online-Umfrage erstellt und landesweit durchgeführt. Sie wurde an BB und Arbeitgeber in allen Kantonen verschickt. Insgesamt gingen 5079 Antworten ein (55,5 % davon von Frauen). Mehrere für die Weiterbildung von BB relevante Aspekte wurden in dieser Umfrage aufgenommen, darunter die als vorrangig erachteten Themen, die bevorzugten Lernformate und -modalitäten sowie die für solche Weiterbildungen am besten geeigneten Tages- bzw. Jahreszeiten. Um das Profil der Befragten besser zu erfassen, wurden auch soziodemografische Merkmale erfragt, beispielsweise in Bezug auf die Unternehmensgrösse oder die Branche. Die Teilnahme an der Umfrage war freiwillig; die Anonymität und Vertraulichkeit der Antworten wurde strengstens gewahrt.

Ergebnisse und Diskussion

1. Spezifische Anforderungen der BB an die Weiterbildung

Dieser erste Teil der Ergebnisse konzentriert sich auf organisatorische Aspekte. Sie spiegeln die Realität und Zwänge der BB wider sowie – indirekt – die Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildungen, die nicht der beruflichen Weiterentwicklung dienen.

1.1. Weiterbildungsbereitschaft und gewählte Modalitäten

Die Weiterbildungsbereitschaft wurde anhand der gewünschten Dauer pro Jahr, der für die Weiterbildung als günstig erachteten Zeiten (tagsüber, abends, an Wochenenden), der maximalen Entfernung, die zurückgelegt werden kann sowie der geeigneten Zeiträume im Jahr ermittelt.

Bei der Weiterbildungsdauer gaben die Befragten durchschnittlich 2,5 Tage pro Jahr an, manche (19,6 %)2 bis zu 3 Tage. Dies deutet auf das Interesse und die Bereitschaft hin, an Weiterbildungen teilzunehmen, die den pädagogischen Aspekt ihrer Tätigkeit unterstützen, wobei einige sogar bis zu fünf Tage pro Jahr in Betracht ziehen (9,7 %). Diese Ergebnisse widerspiegeln nicht nur ein Bedürfnis nach Anerkennung der Funktion (Lamamra et al., 2019) infolge ihrer Weiterentwicklung und Professionalisierung, sondern auch ein Verständnis der Weiterbildung als Sprungbrett für eine berufliche Entwicklung hin zu einer mehr auf Bildung und weniger auf die Produktion ausgerichteten Tätigkeit: z.B. Ausbildungsleitung oder Berufsschullehrperson (Fassa et al., 2019).

Bei den Angaben in Bezug auf passende Zeiten und geeignete Zeitpunkte für die Teilnahme an einer Weiterbildung zeigt sich eine deutliche Vorliebe für ganze Tage, obwohl mehr als die Hälfte der Befragten auch halbe Tage nennt. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass es insbesondere in KMU schwierig ist, die Anforderungen des Arbeitsalltags zugunsten der Weiterbildung zurückzustellen. Kürzere Formate (zwei Stunden), Abende oder Wochenenden scheinen nicht in Frage zu kommen. Dies unterstreicht das starke Interesse an der Weiterbildungsteilnahme und verweist zugleich auf die Erwartung, dass die Weiterbildung als berufsbezogen oder berufsqualifizierend eingestuft werden und somit als Teil der regulären Arbeitszeit gelten sollte.

Die Bereitschaft zur Teilnahme an Weiterbildungen wurde auch anhand der maximalen Entfernung untersucht, die die Personen zurückzulegen bereit sind (durchschnittlich 48 Minuten): BB scheinen relativ weite Wege in Kauf zu nehmen; mehr als ein Drittel würde sogar eine Wegzeit von einer Stunde akzeptieren. Dies deutet wiederum auf ein starkes Interesse an pädagogischen Weiterbildungen und damit auf die Bereitschaft hin, die Ausbildungstätigkeit weiterzuentwickeln bzw. zu professionalisieren.

Gefragt wurde auch nach den bevorzugten Unterrichtsformaten und -modalitäten: Mehr als drei Viertel der Befragten nennen hier Präsenzkurse, während Fern- und Hybridformate weniger beliebt sind. Angesichts der Schwierigkeiten, sich Zeit für die Weiterbildung zu nehmen, kann die Vorliebe für Präsenzveranstaltungen als Wunsch interpretiert werden, dass die Weiterbildungen während der Arbeitszeit stattfinden sollten. Bei Fernkursen, insbesondere wenn sie von den Teilnehmenden selbst bezahlt werden (Übungsmodule oder aufgezeichnete Kurse), ist damit zu rechnen, dass sie ausserhalb der Arbeitszeit stattfinden. Was die Unterrichtsmodalitäten betrifft, so wird das Kursformat am häufigsten gewählt (drei Viertel der Befragten), gefolgt vom Erfahrungsaustausch und den Workshops (48,7 % der Befragten). Das Interesse am Erfahrungsaustausch, das mit der häufigen Isolation von BB im Unternehmen zusammenhängt, wurde bereits bei den 40-Stunden-Kursen festgestellt (Lamamra et al., 2019).

Diese ersten Ergebnisse bestätigen das grosse Interesse an Weiterbildungsmassnahmen über die traditionelle Weiterentwicklung in Zusammenhang mit dem ursprünglichen Beruf hinaus. Die ausbildenden Personen sind bereit, mehrere Tage im Jahr für Weiterbildungen einzusetzen, Wege auf sich zu nehmen und ganze Tage dafür aufzuwenden. Die Tatsache, dass Präsenzveranstaltungen bevorzugt und Wochenend- oder Abendschulungen abgelehnt werden, lässt darauf schliessen, dass die BB diese Weiterbildungen als berufsorientiert wahrnehmen und sie als Mittel sehen, die Anerkennung und Professionalisierung ihrer Funktion zu fördern. Andere Aspekte weisen trotz des starken Interesses auf die Schwierigkeit hin, sich die nötige Zeit für Weiterbildungen zu nehmen; einige Ergebnisse zeigen zudem erhebliche Schwankungen je nach Jahreszeit. Manche Monate scheinen besonders günstig zu sein (Februar, März oder November), da es hier weder in Bezug auf die Wirtschaftstätigkeit noch im Ausbildungskalender der Lernenden Spitzenzeiten gibt. In diesem Punkt zeigen sich besonders grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen3.

1.2. Unterschiedliche Erwartungen von BB und Arbeitgebern

Weiterbildung ist ein wichtiger Verhandlungsgegenstand mit den Arbeitgebern, da es um die Freistellung von der Arbeit geht. Er bot sich an, die im ersten Teil der qualitativen Studie aufgetretene Diskrepanz zwischen den Antworten der BB und der Arbeitgebenden näher zu untersuchen.

Um eine vergleichende Analyse der Antworten von Seiten der BB und der Arbeitgebenden durchführen zu können, wurden die vier im Fragebogen angebotenen Kategorien (ausbildende Angestellte mit oder ohne 40-Stunden-Kurs und Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber mit oder ohne Ausbildungsfunktion) auf zwei reduziert: BB und Vorgesetzter4.

Im Allgemeinen bestätigen die Ergebnisse des quantitativen Teils der Studie die Tendenz zu Antworten, die von der ausgeübten Funktion geprägt sind: Die BB zeigen grösseres Interesse an Kursangeboten und wünschen sich mehr Weiterbildungstage pro Jahr. Unterschiede gibt es auch in Bezug auf das Format der Kurse und die Zeiten, zu denen sie besucht werden können.

Die Bereitschaft, ausbildende Personen für den Besuch einer Weiterbildung freizustellen, wurde anhand derselben Indikatoren wie zuvor bewertet. Die Arbeitgebenden nennen eine Weiterbildungsdauer von durchschnittlich 2 Tagen pro Jahr, während die BB 2,6 Tagen angeben, was einen Unterschied5 von 20% ausmacht.

Dasselbe gilt für die anderen Indikatoren. Die Arbeitgebenden entscheiden sich seltener für ganze Tage; sie bevorzugen halbe Tage. Der grösste Unterschied besteht jedoch darin, zu welchen Zeiten die Weiterbildungen absolviert werden könnten, wobei sich fast 25% der Arbeitgebenden für die Abendstunden aussprechen. Einige geben auch Wochenenden an, was auf zwei wesentliche Punkte hindeutet: die Sachzwänge der Arbeitgebenden, d.h. die Schwierigkeit, ihre BB – oder sich selbst, wenn sie eine Doppelfunktion haben – für Weiterbildungen freizustellen, ohne den reibungslosen Ablauf des Unternehmens und/oder die Betreuung der Lernenden zu beeinträchtigen; die Weiterbildung (die Rede ist nicht von beruflicher Weiterentwicklung) soll demnach teilweise in der Freizeit erfolgen, wobei sich die Verantwortung für die Weiterbildung vom Unternehmen auf die Einzelperson verlagert.

In Bezug auf die Entfernung zum Ort der Weiterbildung sind die BB bereit, eine grössere Distanz zurückzulegen als die Arbeitgebenden. Wie bei der Dauer der Weiterbildung pro Jahr scheinen die Arbeitgebenden auch die Wegzeit als mit der produktiven Arbeit konkurrierend wahrzunehmen.

Zwischen den beiden Gruppen wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Unterrichtsformate und -modalitäten festgestellt. Allerdings sind BB etwas offener für Fernkurse. Beide Gruppen bevorzugen das Kursformat, die BB jedoch in einem höheren Mass. Obgleich der Unterschied nicht signifikant ist, sind BB stärker am Erfahrungsaustausch interessiert. Diese geringen Unterschiede legen nahe, dass die Herausforderung woanders liegt, nämlich dort, wo es darum geht, die eigene Weiterbildungsbereitschaft zu belegen oder jemanden für eine Weiterbildung freizustellen.

Im Vergleich zeigen diese Ergebnisse die unterschiedlichen Herausforderungen zwischen den beiden Personengruppen. Bei den BB zeugt die Bereitschaft, sich weiterzubilden, von einem Bedürfnis nach Anerkennung und dem Streben nach Professionalisierung, während bei den Arbeitgebenden wirtschaftliche Zwänge im Vordergrund stehen. Die Antworten machen auch die unterschiedlichen, von wirtschaftlichen Überlegungen geprägten Auffassungen von Weiterbildung deutlich: Die BB gehen davon aus, dass die Weiterbildung vom Unternehmen zu übernehmen ist, während die Arbeitgebenden der Ansicht sind, dass sie von beiden Seiten oder nur von den Beschäftigten getragen und oftmals ausserhalb der Arbeitszeit absolviert werden sollte.

Es scheint also, dass die eigentliche Herausforderung in der Anerkennung des Nutzens von Weiterbildung liegt, insbesondere was die pädagogische Weiterbildung angeht. Davon abgesehen, weichen die beiden Gruppen in Bezug auf Formate und Modalitäten kaum voneinander ab, was wahrscheinlich ein Zeichen dafür ist, dass sie mehr oder weniger eine gemeinsame Ausbildungskultur teilen.

Bemerkenswert ist schliesslich die Ähnlichkeit zwischen den Antworten der BB und jenen der Befragten aus mittleren und grossen Unternehmen sowie zwischen den Antworten der Arbeitgebenden und jenen der Befragten aus Kleinst- und Kleinunternehmen6. Dies erklärt sich durch den starken wirtschaftlichen Druck, unter dem die kleinen Unternehmen stehen, sowie durch den Spielraum, den grössere Unternehmen haben, weil sie über Ressourcen für die Ausbildung von Lernenden verfügen (Anzahl der BB, Organisation der Ausbildung usw.). Das für das duale System charakteristische Spannungsfeld zwischen Produktion und Ausbildung (Moreau, 2003) wirkt sich somit auch auf den Zugang zur Weiterbildung aus. Dieses Spannungsfeld ist zwischen BB und Arbeitgebenden, aber auch zwischen Unternehmen unterschiedlicher Grösse erkennbar.

2. Verschiedene BB-Profile spiegeln die vielfältigen Realitäten in Bezug auf Weiterbildung wider

Die Studie untersuchte auch, welche Themen die ausbildenden Personen bevorzugen und welche unterschiedlichen Profile sich bei den Befragten daraus ableiten lassen. Mittels einer latenten Klassenanalyse (eine statistische Methode, die homogene Gruppen von Befragten ermittelt, die als Profile, Klassen oder Gruppen bezeichnet werden) haben wir die Verteilung der Befragten in Bezug auf die Weiterbildungsangebote untersucht.

2.1. Erstellung der Kursangebote nach den von den BB geäusserten Bedürfnissen

Im ersten (qualitativen) Forschungsteil wurden die Weiterbildungsbedürfnisse der BB ermittelt. Auf dieser Grundlage wurden im Fragebogen 11 themenspezifische Kursangebote vorgeschlagen (Abbildung 1)7.

Drei Themen stechen hervor, für die sich zwischen 50 % und knapp 65 % der Befragten interessieren. Sie beziehen sich auf die Rollen der ausbildenden Personen sowie ihre Aufgaben und Herausforderungen (64,4 %), auf Kenntnisse über die Zielgruppe der Jugendlichen (55,9 %) und auf Beziehungs- und Kommunikationskompetenzen (49,8 %).

Diese Ergebnisse unterstreichen die zentralen Herausforderungen der BB-Funktion; an erster Stelle steht dabei die Komplexität, die mit der Vielzahl der Rollen und Aufgaben sowie der Notwendigkeit zusammenhängt, die einzelnen Rollen voneinander abzugrenzen (Lamamra et al., 2019; Bahl, 2019). Nach diesen Aufgaben und Herausforderungen folgt an fünfter Stelle die Frage nach der Vereinbarkeit von Produktion und Ausbildung sowie nach dem Zeitmanagement, das eine wesentliche Belastung in der betrieblichen Ausbildung darstellt (Lamamra & Duc, 2021). Das Thema Kenntnisse über die Zielgruppe der Jugendlichen schliesslich verweist darauf, dass es über die Vermittlungsarbeit hinaus um die Begleitung junger Menschen mit ihren Besonderheiten und eigenen Herausforderungen geht, sei es beim Übergang von der Schule zum Beruf oder auf dem Weg ins Erwachsenenalter. Die Betonung der Beziehungs- und Kommunikationskompetenzen verdeutlicht, dass diese Dimension für die Qualität der Ausbildung und für die Frage, ob jemand in der Ausbildung bleibt oder nicht, von zentraler Bedeutung ist (Masdonati & Lamamra 2009; Berger et al., 2019). BB sind regelmässig mit heiklen Situationen, Spannungen und manchmal Konflikten mit ihren Lernenden konfrontiert, was unter Umständen zu einer vorzeitigen Auflösung des Lehrvertrags führen kann.

2.2. Hinter der Auswahl der Kurse stehen verschiedene BB-Profile

Mittels statistischer Analysen wurden die Befragten anhand ihrer Antworten in Gruppen eingeteilt. Daraus ergaben sich vier verschiedene Gruppen8: «die Begleitenden»; «die Gleichgültigen», die kein Interesse an Weiterbildung haben; «die Bildungshungrigen»; «die Engagierten». In jeder Klasse werden Personen, die ähnliche Kursangebote gewählt haben, zusammengefasst.

Zwei Profile unterscheiden sich nach ihrem Verhältnis zur Funktion der BB (die Begleitenden und die Engagierten), und zwei nach ihrem Verhältnis zur Weiterbildung (die Bildungshungrigen und die Gleichgültigen).

Unterschiedliches Verhältnis der BB zur Funktion

Die Begleitenden zeichnen sich durch ein stärkeres Interesse an sozialen und familiären Fragen und sozialen Themen (Übergang und Unterstützungsangebote) sowie durch die Unterstützung der Heranwachsenden aus. Sie sehen ihre Aufgabe nicht nur in der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten oder eines Berufs, sondern in erster Linie darin, junge Menschen beim Eintritt ins Erwachsenenalter und beim Übergangsprozess in die Arbeitswelt zu begleiten.

In diesem Profil finden sich die jüngsten Befragten, mit einem starken Überhang der Altersgruppe der 21- bis 34-Jährigen. Ihr ausgeprägtes Interesse an der Begleitung der jungen Menschen bei diesen Übergangsprozessen könnte sich durch ihre altersmässige Nähe erklären lassen.

Die Engagierten zeichnen sich durch eine ausgeprägte berufliche Identität als BB aus. Die von diesen Personen ausgewählten Kurse betreffen vor allem ihre Rolle, ihre Aufgaben und Herausforderungen sowie den Umgang mit mehreren Rollen oder Verwaltungsaufgaben, aber auch die Frage, wie die Lernenden motiviert werden können. Die Herausforderung besteht darin, die Funktion zu übernehmen und gleichzeitig zu erkennen, welche Zwänge, Spannungen und Schwierigkeiten es mit sich bringt, sowohl Bezugsperson als auch pädagogische Instanz zu sein. Darin scheinen sich die Anliegen erfahrener Personen widerzuspiegeln, die sich dafür qualifizieren wollen, trotz der erwähnten Schwierigkeiten auszubilden und in beiden Rollen erfolgreich zu sein. Bestätigt wird dies auch durch die Zusammensetzung dieser Gruppe: Darin sind 45- bis 65-jährige Personen überrepräsentiert, die in kleinen Unternehmen tätig sind, seltener BB als Hauptbeschäftigung ausüben und ausserdem unter grösserem Druck stehen, die mit der Funktion einhergehenden Herausforderungen zu bewältigen.

Unterschiedliche Beziehungen zu Weiterbildung

Für die Bildungshungrigen scheint fast alles interessant zu sein, denn bis auf zwei9 wurden sämtliche Angebote von mehr als 40% ausgewählt. Daraus lassen sich drei Hypothesen ableiten. Es könnte sich erstens um Personen handeln, die sich von ihrem ursprünglichen Beruf distanzieren und in die Weiterbildung investieren, um vom Beruf oder dessen als belastend empfundenen Bedingungen wegzukommen. Zweitens könnte es sich um BB handeln, die sich sehr stark in ihrer Funktion engagieren und nach Möglichkeiten suchen, sich weiterzuqualifizieren, um in Vollzeit auszubilden (Ausbildungszentrum) oder nebenberuflich zu unterrichten (in der Berufsschule). Die Qualifikation zielt auf eine Professionalisierung und letztendlich auf eine berufliche Veränderung ab. Drittens könnte es sich um BB-Einsteigerinnen und -Einsteiger handeln, die über eine breit angelegte, «generalistische» Weiterbildung in die Funktion einsteigen möchten.

Da diese Gruppe mehrheitlich aus Teilzeitbeschäftigten und Frauen besteht, ist die Hypothese, dass die berufliche Anerkennung und Qualifikation im Zentrum steht, die wahrscheinlichste.

Die Gleichgültigen sind der Weiterbildung gegenüber eher zurückhaltend, da kaum ein Thema ihr Interesse in besonderem Masse weckt: Kenntnisse über die Zielgruppe der Jugendlichen (40%), Beziehungs- und Kommunikationskompetenzen (35%) und Jugendliche verstehen und unterstützen (31%).

Es gibt zwei Hypothesen, die diese Haltung erklären könnten. Erstens könnte es sich um Personen handeln, die sich sowohl von der Funktion als auch von der Arbeit distanzieren – eine Gruppe, die Besozzi als «Resignierte» bezeichnet (2024) –, die nicht in Weiterbildung investieren wollen. Zweitens könnte es sich um Personen handeln, deren Fokus auf der Arbeit liegt und die überzeugt sind, dass sie aufgrund ihres bisherigen Werdegangs oder ihrer (Chef-)Position über die notwendigen Kompetenzen zur Weitergabe von Wissen und Fertigkeiten verfügen und deshalb keine Weiterbildung benötigen. Von daher sind lediglich Themen in Bezug auf die Jugendlichen für sie potenziell von Interesse. Ihr Verhältnis zu diesem Bildungsangebot deutet nicht auf ein generelles Desinteresse an beruflicher Weiterbildung hin, sondern lässt vermuten, dass dieses Angebot nicht als Massnahme zur beruflichen Weiterentwicklung angesehen wird. Diese Gruppe vereint mehrheitlich Männer im Alter zwischen 35 und 45 Jahren, Führungspersonen von Kleinstunternehmen, die in Vollzeit arbeiten. Ihr mangelndes Interesse scheint also auf die bereits erwähnte geringe Weiterbildungsbereitschaft hinzuweisen.

Fazit

Ein genauerer Blick auf die Weiterbildungsbedürfnisse von BB macht deutlich, wie komplex diese Funktion ist und welche Wünsche sie in Bezug auf Anerkennung, Kompetenzerweiterung, Professionalisierung und berufliche Veränderung haben.

Die Auswahl der Kurse zeigt die verschiedenen Facetten der Funktion der BB: Neben der Vermittlung von beruflichem Wissen und Können geht es darum, den Übergang in die Arbeitswelt und das Erwachsenenalter zu begleiten, was Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die weit über das Know-how in Zusammenhang mit dem Kernberuf hinausgehen. Die Analyse der Weiterbildungsbereitschaft veranschaulicht ihre Arbeitsbedingungen, das Spannungsfeld zwischen Produzieren und Ausbilden, ihre mehrfachen Rollen und schwierigen Rahmenbedingungen (Pflichtenheft, Entlastung, berufsorientierte Weiterbildungen). Die Unterschiede zwischen den Antworten der BB und jenen der Arbeitgeber veranschaulichen die Herausforderungen und Zwänge der Akteure in der Berufsbildung sowie ihre Vorstellungen von Weiterbildung. Die BB wünschen sich, dass die pädagogische Weiterbildung als berufliche Weiterbildung anerkannt wird und dass sie die Möglichkeit haben, sich während der Arbeitszeit weiterzubilden. Den Arbeitgebenden geht es darum, sich oder die Mitarbeitenden freistellen zu können, ohne die wirtschaftliche und ausbildende Tätigkeit des Unternehmens zu gefährden. Somit präferieren sie «berufsbezogene» Weiterbildungen und sind der Ansicht, dass die Vermittlung eher allgemeiner Inhalte im Rahmen einer ausserberuflichen Weiterbildung, also ausserhalb der Arbeitszeit, stattfinden sollte.

Die Ergebnisse legen die Bereitstellung von Weiterbildungen nahe, die sowohl gemeinsame Angebote zu wichtigen Themen umfassen als auch unterschiedliche Angebote je nach Profil, Branche, Funktion oder Unternehmensgrösse. Die Auswahl der Kurse ermöglicht gezielte, auf die Bedürfnisse der BB zugeschnittene Angebote ohne politische oder wirtschaftliche Vorgaben (z.B. Digitalisierung). Die Vielfalt der BB-Profile verlangt nach einer Anpassung der Weiterbildungsangebote und -inhalte an die Heterogenität dieser Zielgruppe. Die Antworten zu Zeitpunkt, Dauer, Format und Modalitäten ermöglichen es, die Kursangebote im Hinblick auf die Anforderungen der BB zu adaptieren und somit optimal umzusetzen. Alle diese Elemente, einschliesslich der Unterschiede in den Antworten der BB und der Arbeitgeber, können für die Bewerbung und das Marketing der Kurse verwendet werden sowie für die Entwicklung modularer, auf die jeweilige Branche abgestimmter saisonaler Weiterbildungen.

Auf einer allgemeineren Ebene betrachtet, widerspiegeln die Antworten die unterschiedlichen Auffassungen von beruflicher und ausserberuflicher Weiterbildung  und bieten damit auch Ansatzpunkte für die Anerkennung der Funktion und die Stärkung des dualen Systems. Diese Weiterbildungen sollten als berufliche Qualifizierungsmassnahmen betrachtet werden. Dadurch würden BB in doppelter Hinsicht als Fachleute anerkannt: sowohl in ihrem Erstberuf als auch in ihrem Zweitberuf als Ausbildende. Die Anerkennung ihrer wesentlichen Funktion im dualen System könnte somit in Form eines erweiterten Rechts auf Weiterbildung erfolgen.

  1. Der Forschungsauftrag wurde im Rahmen des durch das Projekt 2030 finanzierten Projekts für die Stiftung Top-Ausbildungsbetriebe durchgeführt.
  2. Die detaillierten Zahlen sowie sämtliche Analysen, Tabellen und Grafiken stehen im Abschlussbericht zur Verfügung (Wenger & Lamamra, 2023).
  3. Auf die für die Ausbildung mehr oder weniger geeigneten Zeitabschnitte des Jahres wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen. Die genauen Details nach Wirtschaftszweigen stehen im Abschlussbericht zur Verfügung (Wenger & Lamamra, 2023).
  4. Verschiedene statistische Tests, insbesondere der χ²-Test (Chi-Quadrat-Test), mit dem die Antworthäufigkeiten zwischen verschiedenen Gruppen verglichen werden, ergaben, dass tendenziell BB mit oder ohne 40-Stunden-Kurse in Bezug auf Kursangebote, Lernbereitschaft, Formate und Modalitäten ähnlich antworteten und dass Arbeitgebende mit oder ohne Ausbildungsfunktion in diesen verschiedenen Dimensionen ebenfalls ähnlich antworteten.
  5. Der Unterschied ist statistisch signifikant (ANOVA).
  6. Für weitere Details vg. Wenger & Lamamra, 2023.
  7. Die einzelnen Unterthemen werden hier nicht analysiert. Für weitere Details siehe Wenger & Lamamra, 2023.
  8. Die Reihenfolge der Klassen 1 bis 4 erfolgt nach der Grösse der Gruppen (nach Anzahl der Personen). In der Folge werden die Profile nach ihrem Bezug zur Funktion oder zur Weiterbildung vorgestellt.
  9. Es geht um digitale Kompetenzen und den Kurs, der den Umgang mit Kündigungen thematisiert.

Bahl, A. (2019): Le/la formateur·rice: une position fragile. Étude de cas de grandes et moyennes entreprises, en Allemagne. In: Formation emploi, 146, 53-75. https://doi.org/10.4000/formationemploi.7350

Berger, J.-L., Sauli, F., Wenger, M., & Gross, V. (2019): Evaluer la qualité d'une formation par les perceptions des participant·e·s: premiers résultats d'une recherche dans le contexte de la formation professionnelle initiale suisse. In: Gremion, C., Sylvestre, E. & Younes, N. (Hrsg.). Actes du 31ème Colloque scientifique international de l’ADMEE-Europe: Entre normalisation, contrôle et développement formatif. Évaluations sources de synergies? (S. 74–81). Lausanne, Suisse: IFFP et CSE de l’Université de Lausanne.

Besozzi, R. (2024): Former des apprenti·e·s. A la rencontre des formateurs et formatrices en entreprise. Alphil.

Fassa, F., Dubois, S., Wenger, M., & Ceppi, J. (2019): Les identités professionnelles des enseignant.e.s de la Formation Professionnelle Initiale vaudoise. Rapport de recherche. Lausanne: Université de Lausanne, Faculté des Sciences sociales et politiques, Observatoire de l’éducation et de la formation.

Filliettaz, L. (2011): Collective guidance at work: A resource for apprentices? In: Journal of Vocational Education and Training, 63(3), 485-504. https://doi.org/10.1080/13636820.2011.580359

Lamamra, N., & Duc, B. (2021): Une perspective décentrée sur l’apprentissage en situation de travail: les conditions d’exercice des personnes formatrices en entreprise. In: Education & socialisation. 62 [online: https://doi.org/10.4000/edso.17040]

Lamamra, N., Duc, B., & Besozzi, R. (2019): Au cœur du système dual: les formateurs et formatrices en entreprise. Résultats d’une recherche et pistes d’action pour les acteurs et actrices de la formation professionnelle. IFFP.

Lamamra, N., Duc, B., & Besozzi, R. (2019): Im Herzen der dualen Berufsbildung: Berufsbildnerinnen und Berufsbildner. Forschungsergebnisse und Massnahmen für die Akteurinnen und Akteure der Berufsbildung. Lausanne: Institut fédéral des hautes études en formation professionnelle IFFP.

Lamamra, N., & Wenger, M. (2022): Quotidien et besoins des formateurs et formatrices en entreprise. Rapport d’analyse et propositions d’offres de formations continues. Renens: Haute école fédérale en formation professionnelle HEFP.

Masdonati, J., & Lamamra, N. (2009): La relation entre apprenti·e et personne formatrice au cœur de la transmission des savoirs en formation professionnelle. Revue suisse des sciences de l’éducation. 31 (2), 335-353.

Moreau, G. (2003): Le monde apprenti. La Dispute.

Schweri, J., Aepli, M., & Kuhn, A. (2021): The Costs of Standardized Apprenticeship Curricula for Training Firms. In: Empirical Research in Vocational Education and Training, 13(16).

Wenger, M., & Lamamra, N. (2023): Les besoins et préférences en matière de formation continue des personnes formatrices d’apprenti·e·s. Analyses de l’enquête en ligne – Rapport final. Renens: Haute école fédérale en formation professionnelle HEFP.

Wenger, M., & Lamamra, N. (2024): Weiterbildungsbedarf und Weiterbildungswünsche von Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern. Analyse der Online-Befragung – Schlussbericht. Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung EHB.

Prof. Nadia Lamamra ist Leiterin des Forschungsfeldes «Integrations- und Ausschlussprozesse» an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB. Kontakt: nadia.lamamra@hefp.swiss

Dr. Matilde Wenger ist Senior Researcher an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB. Kontakt: matilde.wenger@hefp.swiss